Mehrere Menschen blicken und gehen Richtung Kamera
AFP – TOLGA AKMEN
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Coronavirus

Herdenimmunität als langfristiges Ziel

Das langfristige Ziel der Schutzmaßnahmen vor dem Coronavirus ist, Herdenimmunität in der österreichischen Bevölkerung zu erreichen – dann blieben weitere Ansteckungen aus. Wie viele Menschen sich dafür infizieren müssen, ist bei jedem Virus anders. Bei Corona müsste mehr als die Hälfte der Bevölkerung immun werden.

Der Begriff der Herdenimmunität ist in den vergangenen Tagen immer öfter aufgetaucht: Nach einer Infektion mit dem Sars-Coronavirus-2 kennt der menschliche Organismus den Erreger. Dieser Mensch ist danach immun gegen das Virus und kann die Infektion nicht mehr weitergeben. Sind ausreichend Menschen immun, spricht man von Herdenimmunität bzw. davon, dass ein Herdenschutz für Risikogruppen gegeben ist.

Infizierte stecken drei weitere an

Herdenimmunität werde es auch in Österreich geben, sagt die Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der Medizinuni Wien, und zwar sobald die Coronainfektionswelle überstanden ist. Dabei werde der Großteil der Bevölkerung die Infektion nicht bemerken oder zumindest einen leichten Verlauf von Covid-19 haben. Wie viele Menschen sich dafür mit dem Coronavirus infizieren müssen, berechnet die Immunologie anhand der sogenannten Basisreproduktionszahl. Sie gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person durchschnittlich ansteckt.

Ö1 Sendungshinweise

Über das Thema berichteten auch die Ö1 Journale, 19.3., 12:00 Uhr.

Diese Basisreproduktionszahl ist bei jedem Virus anders. Beim Masernvirus steckt eine infizierte Person durchschnittlich 18 andere an, bei der Influenza, der echten Grippe, sind es zwischen einer und zwei Personen und beim Coronavirus sind es nach derzeitigem Erkenntnissstand drei Personen. „Das heißt, Corona ist etwas infektiöser als Influenza, aber viel weniger infektiös als das Masernvirus“, so Wiedermann-Schmidt.

Herdenimmunität ab 50 Prozent

Aus der Basisreproduktionszahl, also der Infektiosität eines Virus, berechnet die Immunologie die Raten für die Herdenimmunität: Beim Masernvirus müssten 95 Prozent der Bevölkerung immun sein, um eine Ausbreitung zu unterbinden und Risikogruppen zu schützen. Bei Influenza würde es ausreichen, wenn 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung immun sind, um Herdenimmunität zu erreichen und die jährliche Grippeepidemie zu verhindern.

Beim Coronavirus müssten etwas mehr Menschen immun sein, sagt Wiedermann-Schmidt. „Hier müssten, damit man diesen Herdenschutz in der Bevölkerung etablieren kann, etwa 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung die Erkrankung durchmachen, damit eine natürliche Immunität in der Bevölkerung entsteht“, so die Immunologin. Das wäre auch das Ende der Ausbreitung des Coronavirus.

Impfung könnte Herdenschutz bringen

Sobald es eine Impfung gegen Corona gibt, kann dieser Herdenschutz oder diese Herdenimmunität auch durch eine entsprechende Durchimpfungsrate erreicht werden, betont Wiedermann-Schmidt. So wie das derzeit schon bei der jährlich wiederkehrenden Grippe der Fall wäre, wenn sich ausreichend Menschen impfen ließen. Die Rate liegt in Österreich bei knapp zehn Prozent. In Folge kommt es jedes Jahr zu einer Grippewelle.

Auf eine rasante Ausbreitung des Coronavirus zu setzen, um die Herdenimmunität schneller zu erreichen – eine Strategie, die Großbritannien bis vor Kurzem verfolgte, ohne große Schutzmaßnahmen und Ausgangssperren -, davon hält Wiedermann-Schmidt nichts. Dabei würden viel zu viele Menschen aus den Risikogruppen gleichzeitig schwer erkranken und das Gesundheitssystem zusammenbrechen. „Selbst wenn wir bei nur sechs Prozent der Bevölkerung von schweren Krankheitsverläufen ausgehen, müssten so viele Menschen gleichzeitig ins Spital aufgenommen werden, die beatmet werden müssen, auf Intenivstationen, dass die Versorgung schon bald zusammenbrechen würde“, so die Immunologin.