Die Mikrobiologin Jilian Petersen
Han-Fei Allen Tsao
Han-Fei Allen Tsao

„Momentan ist nichts normal“

Das Coronavirus verändert auch das Leben von Forscherinnen und Forschern. Für eine Serie haben einige aufgeschrieben, welche Gedanken ihnen gerade durch den Kopf gehen – was die Krise für ihren Alltag, die Wissenschaft und die Welt bedeutet bzw. bedeuten könnte. Den Anfang macht die Mikrobiologin Jilian Petersen.

Der Ausbruch des Coronavirus hat meinen täglichen Ablauf von Grund auf verändert. Das könnte überraschend sein, denn als Gruppenleiterin manage ich zahlreiche große Projekte. Theoretisch könnte ich den Großteil meiner Arbeit auch von daheim erledigen: Peer-Review, neue Ergebnisse mit Teammitgliedern diskutieren, Gespräche mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt führen, sogar Vorlesungen halten.

Über die Autorin:
Jillian Petersen erforscht an der Universität Wien die Grundlagen des Lebens. Ihr Spezialgebiet sind nützliche Mikroben, die Tieren beim Überleben helfen.

Allerdings ist die Meinung, dass das Arbeitsleben einfach weitergehen kann – vielleicht sogar produktiver als davor, ohne die ständige „Ablenkung“ durch persönliche Treffen oder Reisen zu Workshops -, ein Mythos. Unter normalen Umständen würde ich eine vierwöchige Periode der Isolation sogar genießen, um nachzudenken und zu schreiben. Aber momentan ist nichts normal.

Neue Ängste

Wie bei den meisten meiner Teammitglieder lebt meine Familie weit weg (ich komme aus Australien). Und ich muss mich erst an die Angst gewöhnen, dass ich – im Fall eines unvorhersehbaren familiären Notfalls – keine Möglichkeit hätte, nach Hause zu reisen. Ich habe auch zwei Kinder, sieben und neun Jahre alt. Zum Glück sind sie alt genug, um sich selbst zu unterhalten, aber die Idee, dass man zuhause das Pensum eines ganzen Arbeitstages erledigen kann, ist reine Fantasie. Wie sind zudem Teil einer Patchwork-Familie, das war schon davor eine Herausforderung.

Ich bin nicht allein. JEDE und JEDER ist mit solchen beispiellosen Herausforderungen konfrontiert. Ich gehöre zu den Glücklichen: Ich habe einen Punkt in meiner Karriere erreicht, an dem meine Anstellung relativ sicher ist. Mit Hilfe meiner wissenschaftlichen Gesellschaft, der International Society for Micobial Ecology (ISME) versuche ich derzeit, mein Angebot an Online-Seminaren auszubauen. Dadurch haben jüngere Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, Vorträge und Seminare zu halten, die sie trotz der Absagen mit viel Mühe vorbereitet haben.

Ich versuche meinen Teammitgliedern zu vermitteln, dass die Zeit kommen wird, wo wir unsere Arbeit wieder aufnehmen können und uns wieder auf Mikroben konzentrieren können, die „Gutes“ tun. Derzeit sind andere Dinge wichtiger. Wir müssen alle auf uns selbst schauen und aufeinander, bis die Bedrohung durch diese eine unglaublich gefährliche Mikrobe eingedämmt wurde, und das wird passieren.