Ein Feuerwehrmann mit Taschenlampe im Dunkeln
dpa/Angelika Warmuth
dpa/Angelika Warmuth

Stichprobentests: Licht in die Dunkelziffer

Wie hoch die Dunkelziffer unentdeckter Coronavirus-Fälle ist, bleibt umstritten. Um zu klären, wie viele Österreicher und Österreicherinnen tatsächlich infiziert sind, brauchte es Tests auf Basis einer repräsentativen Stichprobe.

Hinter dem vor allem in der Meinungsforschung oft gebrauchten Begriff „repräsentative Stichprobe“ verbirgt sich grob gesagt Aussagen über Verhalten oder Einstellungen großer Gruppen auf Basis der Befragung einer deutlich kleineren Gruppe, die der Zusammensetzung der großen möglichst ähnlich ist.

Gepaart mit viel Vorerfahrung, macht es dieser Ansatz etwa möglich, in Österreich anhand von Untersuchungen von beispielsweise lediglich 1.000 Personen vor einer Wahl relativ stimmige Aussagen zum späteren Ausgang zu machen. Wichtig ist, dass die Gruppe der Befragten so zusammengestellt ist, dass sie etwa der Altersstruktur, der Geschlechterverteilung, Einkommens- und Bildungsstruktur oder der Verteilung der Bevölkerung über die Regionen des Landes entspricht.

Bei SARS-CoV-2 besonders schwierig

Die Coronakrise zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass momentan kaum jemand valide abschätzen kann, wie viele Menschen wirklich mit dem Virus in Kontakt gekommen sind. Bei SARS-CoV-2 liegt das auch daran, dass angenommen wird, dass die Erkrankung bei sehr vielen Menschen sehr milde bis symptomlos verlaufen kann. Gepaart mit der langen Zeit bis zum Ausbruch – Experten und Expertinnen schätzen die Inkubationszeit auf durchschnittlich vier bis sechs Tage – ergibt sich ein sehr weites Feld, in dem die Dunkelziffer zur Verbreitung liegen kann.

Die etwas gesunkenen Prozentsätze an Neuinfektionen in Österreich der vergangenen Tage könnten auch auf darauf zurückzuführen sein, dass Bürger möglicherweise bereits „vor dem Lockdown Sicherheitsverhalten gezeigt haben könnten“, sagt der Datenwissenschaftler John Haas vom Campus Wieselburg der Fachhochschule Wiener Neustadt (NÖ), auch Mitinitiator und Koordinator der Online-Datenplattform „COVID19 Monitor Österreich“. Daten aus China würden zeigen, dass sich Maßnahmen wie strikte Ausgangssperren dort erst neun Tage nach ihrer Verhängung in der Statistik wirklich niedergeschlagen haben.

Wegen Ressourcenmangel bisher nicht durchgeführt

In Österreich war das am gestrigen Dienstag so weit, ein größerer Effekt ließ sich aber noch nicht ausmachen. Das liegt laut Haas daran, dass die Anzahl der Fälle immer noch relativ klein sei und weil die seit Kürzerem erhöhte Zahl an Testungen von Verdachtsfällen „das überlagert. Rückblickend betrachtet war also die Dunkelziffer viel höher als gedacht“.

Möchte man die unentdeckten Fälle stimmig abschätzen, bräuchte es die Testung einer repräsentativen Stichprobe, so Haas. Momentan konzentriert man sich klarerweise auf die Verdachtsfälle. Aus diesem statistisch „schlecht gemischten Pool“ lasse sich aber nicht auf die Dunkelziffer schließen, weil man nichts über die Gesunden oder vermeintlich Gesunden weiß. Kennt man die Verteilung des SARS-CoV-2-Erregers hier aber nicht, bestehe die Gefahr, dass „man von einer Lawine von scheinbaren Neufällen überrascht wird“.

Die Untersuchung einer für Österreich repräsentativen Stichprobe werde derzeit vor allem deshalb nicht gemacht, weil die Ressourcen fehlen, zeigte sich Haas überzeugt. Wie in den meisten Teilen der Welt, liege das vermutlich an einem Mangel an Vorbereitung auf die nunmehrige Situation. Einige asiatische Länder oder Island (mehr dazu hier) würden hier anders vorgehen und kämen offenbar auch deshalb momentan recht gut durch die Krise.