Der Mathematiker und Simulationsexperte Nikolaus „Niki“ Popper vor einem Computer mit einer Österreich-Landkarte
APA/HERBERT NEUBAUER
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TU-Experten simulieren mehrere Szenarien

Die Zahl der sozialen Kontakte wurde in Österreich im Kampf gegen das Coronavirus mittlerweile weitgehend verringert. Noch drastischere Einschränkungen bringen laut Simulationsrechnungen Wiener Forscher kaum zusätzlichen Nutzen.

In China oder Italien wurden zur Eindämmung der COVID-19-Epidemie noch härtere Maßnahmen als derzeit in Österreich verhängt, etwa generelle Ausgehverbote oder weitgehende Betriebsschließungen. „Unsere Simulationsrechnungen zeigen allerdings ganz klar, dass ab einem gewissen Punkt eine weitere Verschärfung keinen spürbaren Nutzen mehr bringt“, erklärte Niki Popper, Leiter des Forschungsteams von der Technischen Universität (TU) Wien und des TU-Spin-Offs dwh GmbhH, am Donnerstag in einer Aussendung. Punktuell eingeführte, gut durchdachte Maßnahmen – etwa die Zahl der Kontakte bei Risikogruppen einzuschränken – könne natürlich sinnvoll sein.

Der Mathematiker und Simulationsexperte Nikolaus „Niki“ Popper vor einem Computer mit Coronavirus-Kurve
APA/HERBERT NEUBAUER
Der Simulationsexperte Niki Popper

Zweiter Welle vorbeugen

Das Forschungsteam analysierte nun auch, wie die Maßnahmen wieder gelockert werden könnten. „Eines ist klar: Sofort wieder zum gewohnten Alltag zurückzukehren, wäre jetzt falsch“, erklärte Popper. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen der Höhepunkt der Krankheitsfälle bald erreicht wird und die Zahl der Infektionen dann zurückgeht. „Wenn die Kontaktzahl aber dann sofort wieder auf das früher übliche Niveau ansteigt, dann wird auch die Zahl der Krankheitsfälle sehr rasch wieder zunehmen.“

Eine durch ein übereiltes Ende der Maßnahmen verursachte zweite Corona-Welle könnte den Simulationen zufolge innerhalb kurzer Zeit zu deutlich höheren Krankheitszahlen führen als derzeit. Daher seien gewisse Vorsichtsmaßnahmen noch längere Zeit notwendig.

Drei Szenarien berechnet

Für die Zukunft haben die Wissenschaftler drei mögliche Szenarien berechnet: Im ersten Fall gingen sie davon aus, dass die derzeitigen Maßnahmen – etwa mit einer Schließung der Schulen und von etwa einem Viertel der Arbeitsstätten sowie einer Reduktion der Freizeitkontakte um die Hälfte – voll beibehalten würden. Dann würde die Zahl der COVID-19-Erkrankungen über den Sommer kontinuierlich zurückgehen.

Ebenso kontinuierlich zurückgehen würden die Krankheitszahlen im zweiten Szenario: Dieses geht davon aus, dass nach Ostern die Arbeitsstätten wieder geöffnet, die Schulen aber geschlossen und die Freizeitkontakte weiterhin reduziert bleiben. Der Rückgang der Erkrankungen wäre dann langsamer, aber das Gesundheitssystem käme nicht an seine Belastungsgrenzen.

Auswirkung zur kontrollierten Rücknahme der Maßnahmen: Grafik zu den verschiedenen Szenarien
TU Wien / dwh
Auswirkungen der drei Szenarien

Im dritten Szenario gingen die Forscher davon aus, dass die Arbeitsstätten nach Ostern wieder geöffnet werden und die Schulen ab 4. Mai, also zwei Wochen vor der Matura. Weiterhin gebe es aber nur die Hälfte der Kontaktanzahl in der Freizeit. In diesem Fall kommt es den Berechnungen zufolge zwar nicht zu einem explosiven Anstieg der Krankheitszahlen, sie würden aber trotzdem steigen und das Niveau der ersten Infektionswelle übertreffen.

Popper schränkt ein, dass langfristige Prognosen „immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind“. Deshalb sei es wichtig, die Modelle Woche für Woche weiter zu verbessern und an das neueste Datenmaterial anzupassen.