Hände tippen auf einem Tablet
APA/dpa/Rolf Vennenbernd
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Forscheralltag

Zwang zur Digitalisierung

Bis nächstes Jahr sollten die Universitäten ihre Digitalisierungsstrategie vorlegen, nun zwingt sie ein Virus, die komplette Digitalisierung der Lehre von heute auf morgen umzusetzen. Das bringt selbst Medienforscher an ihre Grenzen, schreibt der als Plagiatsprüfer bekannte Stefan Weber.

Stefan Weber ist Plagiatsprüfer und Universitätslektor. Soeben erschienen: „Philosophenstreit zu Josef Mittterer"

Eine einmalige Ironie der Geschichte: „Digitalisierungsstrategien“ – also die Digitalisierung von Lehre, Forschung und Verwaltung – sind oberstes Gebot und dann zwingt uns ausgerechnet ein zunächst fernes Naturereignis, von heute auf morgen die „Digitalisierung von allem“ umzusetzen. Wir müssen unser Wissen, dass „Blended Learning“ die beste Option ist, also die Mischung aus Präsenz- und Online-Lehre, über Nacht begraben und voll und ganz auf E-Learning setzen. Kann das gutgehen?

Ich halte in diesem Semester zwei große Vorlesungen: Eine zu „Guter Wissenschaftlicher Praxis“ (GWP) an der TU Wien und eine zu „Medieninnovationen“ an der Universität Wien. Und auch mich hat es kalt erwischt: Obwohl ich zu Medieninnovationen unterrichte, habe ich noch nie ein Webinar gehalten und meine Vorlesungen wurden noch nie live gestreamt. Dafür war bisher schlichtweg kein Anlass. Als Salzburger hielt ich Vorlesungen geblockt in Wien – garniert mit interaktiven Elementen wie Live-Votings am Handy oder Software-Demonstrationen.

Mehr Fragen als Antworten

Nun stehe ich vor der Frage: Genügt es, meine Folien und PDF-Files der relevanten Literatur einfach auf die Lernplattform „Moodle“ hochzuladen? Oder bedarf es mehr? Welche Webinar-Software soll ich verwenden? Welche interaktiven Möglichkeiten wie Live-Abstimmungen und Feedback-Kanäle bieten die verschiedenen Hersteller? Was kann mein Rechner hier, was bieten die Unis an? Ich sollte eigentlich über die Aktualisierung der Inhalte nachdenken. Nun ist das überlagert durch Fragen der Technik und der Kanäle. Ich arbeite mich durch gefühlte 50 E-Mail-Sonder-Newsletter zur Lehre von Rektorat, Fakultät & Co. und werde nicht schlauer.

Wie gelingen Motivation und Beteiligung im reinen E-Learning-Szenario? Und umgekehrt: Welchen Mehrwert bot eigentlich die Präsenzlehre? Wie war das bei mir als Student? Einige Vortragende hatten so einen schlechten Stil, dass ich ihnen gar nie richtig zugehört habe. Ich wusste auch nie, was ich mitschreiben sollte. Andere wiederum fesselten im Vortrag so sehr, dass ich auch Dinge mitschrieb, die sie gar nicht gesagt haben – einfach, weil sie mich zum Weiterdenken, zum Verknüpfen von Gedanken animierten.

Worum geht es an der Universität? Das Ziel ist doch, dass Lehrende permanent dazulernen und Lernende auch sukzessive lehren. Dass wir uns gemeinsam für ein Thema begeistern und versuchen, es so genau und methodenakkurat wie es geht zu durchdringen. Gelingt das im reinen digitalen Lernen? Ich habe im Moment nur Fragen. Keine Antworten.