Bei einem Mädchen in Kenia wird Temperatur gemessen
AFP/SULEIMAN MBATIAH
AFP/SULEIMAN MBATIAH

Ein globales Problem: Coronavirus in Afrika

Wie stark sich das Coronavirus in Afrika verbreiten wird, ist unklar. Die Bevölkerung ist wesentlich jünger als in Europa. Doch die Gesundheitssysteme sind schwach und durch andere Erkrankungen belastet – das könnte globale Folgen haben.

42 Länder auf dem afrikanischen Kontinent haben bis jetzt Sars-Coronavirus-2-Infektionen gemeldet. Derzeit gibt es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt rund 4.800 Fälle (Stand 3.4.2020, 10:00). Doch die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, denn in vielen Länder fehlt es an Möglichkeiten, eine Infektion zu diagnostizieren. Jetzt mehren sich die Befürchtungen, dass eine Ausbreitung von Covid-19 die ohnehin schwachen Gesundheitssysteme vieler afrikanischer Nationen überfordern könnte, die durch andere Erkrankungen, wie die weit verbreitete Malaria oder Tuberkulose, bereits gefordert sind. Hält sich das Virus, könnte es von dort aus wieder um die Welt gehen.

Herausforderungen bei Diagnose

Der Österreicher Peter Kremsner, Infektiologe am Universitätsklinikum Tübingen, leitet das medizinische Forschungszentrum am Campus des Albert-Schweitzer-Hospital in Lambarene in Gabun. Dort wurden bereits einige Covid-19-Fälle diagnostiziert. Doch die Diagnose einer Infektion mit dem Coronavirus stelle die Mediziner vor große Herausforderungen, sagt Kremsner, denn es gebe in Zentralafrika sehr viele fieberhafte Erkrankungen, deren Symptome ähnlich sind, wie Gelbfieber oder Dengue-Fieber.

Coronavirus-Tests auf einer Straße in Johannesburg
AFP/MARCO LONGARI
Teststation auf einer Straße in Johannesburg

„Fieberhafte Erkrankungen differentialdiagnostisch klinisch abzugrenzen, kann schwierig sein“, so Kremsner. Dafür brauche es einen Virusnachweis aus dem Labor. „Aber gerade in Zentralafrika gibt es häufig nur ein, zwei Zentren in einem Land, in manchen noch gar keine, wo wir Diagnostik machen können“, so der Infektiologe weiter. In Gabun übernimmt diese Aufgabe das medizinische Forschungszentraum in Lambarene gemeinsam mit einer weiteren Institution. Andere Labore gibt es derzeit nicht.

Demografie als Hoffnungsschimmer

Es fehlt nicht nur an Laboren, die den Virusnachweis erbringen, sondern auch an Intensivbetten, in denen Patientinnen und Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen versorgt werden könnten. Einen Hoffnungsschimmer sieht Kremsner in der Altersstruktur der Bevölkerung. In Zentralafrika sei die Bevölkerung sehr jung. „Wir haben sehr viele Kinder und Jugendliche, während in Europa die Alterspyramide ganz anders ist“, sagt Kremsner. In Ländern wie Österreich oder Deutschland sei ein großer Teil der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Bei dieser Risikogruppe ist mit schweren Verläufen von Covid-19 zu rechnen. Dieses Bevölkerungsegment gebe es Zentralafrika quasi nicht.

Aber, das gibt der Infektiologe zu bedenken, weitverbreitete Krankheiten wie Malaria schwächen das Immunsystem. Es seien also auch schwere Verläufe bei jungen Menschen denkbar. Noch könne man nicht abschätzen, wie sich Covid-19 in Ländern wie Gabun, der benachbarten Republik Kongo oder Camerun ausbreiten werde. In jedem Fall sei es wichtig, Länder wie diese im Kampf gegen das neue Coronavirus zu unterstützen und global zusammenarbeiten, betont Kremsner.

Ö1-Sendungshinweis:

Für den Europa-Journal-Podcast vom 2.4. sprach Markus Müller-Schinwald mit dem ehemaligen Direktor der WHO, Anders Nordström.

Dass die Gesundheitssystem vielfach überfordert sind, zeigen auch Zahlen zur Ebola-Epidemie: Wie der ehemalige WHO-Direktor Anders Nordström im Ö1-Europa-Journal-Podcast erläutert, starben etwa in Sierra Leone rund 4.000 Menschen an Ebola – gleichzeitig verstarben 45.000 andere, weil das Gesundheitssystem überlastet war und sie nicht behandelt werden konnten.

Virusherde sind globales Risiko

Die afrikanischen Staaten im Kampf gegen Covid-19 alleine zu lassen, sei keine Option, sagt Kremsner. Dort oder auch in Asien könnte die Erkrankung in kleinen Herden weiter köcheln und wieder aufflammen. Das Risiko, das Virus dann wieder in andere Teil der Welt zu reimportieren, sei groß. Ideal wäre es, wenn die internationale Staatengemeinschaft ihre gesundheitspolitischen Strategien abstimmen würde, sagt Kremsner.

Zumindest in der medizinischen Forschung gelinge die globale Zusammenarbeit bereits. Er ist optimistisch, dass es einen Impfstoff gegen das Coronavirus geben werde, vielleicht schon Ende des Jahres. Eine Impfung sei auch die einzige realistische Chance für die Länder Zentralafrikas, die Ausbreitung des Virus in den Griff zu kriegen, so der Infektiologe.