Biene landet auf Lavendelstrauch
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Insektensterben

Ackerbau als Täter und Opfer

Weltweit ist die Anzahl an Insekten stark geschrumpft und zahlreiche Arten sind vom Aussterben bedroht. Auch in Österreich, wie der kürzlich erschienene „Insektenatlas 2020“ von Global 2000 zeigt. Die Land- und Forstwirtschaft trägt erheblich dazu bei, sie schadet sich damit aber auch selbst.

Die umfangreiche Landnutzung ist einer der Hauptursachen für das Insektensterben, erklärt Dominik Linhard, „Global 2000“-Biologe und einer der Autoren des „Insektenatlas 2020“. Einerseits verschwinden täglich Lebensräume, indem Böden zubetoniert und verbaut werden. Andererseits wird die Landwirtschaft immer intensiver und verdrängt damit Bienen, Schmetterlinge und Käfer. Das sei, so Linhard, das größte Problem.

Intensiv bedeutet beispielsweise, dass kleine Felder zu großen zusammengelegt werden. Der Trend spiegelt sich in den Zahlen der Statistik Austria wider. Demnach sind die landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 1990 und 2016 immer weniger geworden – von 281.000 Betrieben auf 162.000. Die Gesamtfläche, die landwirtschaftlich genutzt wird, ist aber kaum (nur vier Prozent) geschrumpft. „Wenn man Ackerflächen zusammenlegt, gehen kleine Blühstreifen, Hecken und Baumgruppen am Rande dieser Felder verloren und damit verschwinden wichtige Lebensräume für Insekten.“

Wie Schädlinge profitieren

Großflächig bewirtschaftete Felder, auf denen immer die gleichen Pflanzen angebaut werden, verdrängen nicht nur nützliche Insekten, sie schonen auch Schädlinge, so der Biologe Linhard. „Die Kulturpflanzen, die wir anbauen, sind die Hauptnahrungsquelle von Schädlingen. Dementsprechend ist eine Fläche mit einer Monokultur für sie ein Paradies.“

Landwirt düngt sein Feld
APA/dpa/Philipp Schulze
Pestizide und Monokulturen schaden Insekten

Insektenarten, die normalerweise diese Schädlinge fressen würden, sind hingegen wesentlich anspruchsvoller. Ein Beispiel sind Marienkäfer. Setzt man sie etwa auf Weizen- und Roggenfeldern ein, können sie den Befall mit Getreideblattläusen um 80 Prozent reduzieren, heißt es im „Insektenatlas 2020“. Zu ihrem Lebensraum gehören allerdings Wälder, Wiesen, Moore, Heiden sowie Gärten. „Während die Nützlinge immer weniger werden, werden die Schädlinge immer mehr.“

Düngen und Mähen verdrängen Insekten

Intensiv macht die Landwirtschaft auch der Einsatz von Insektengiften und Düngemittel. „Wiesen wären sehr wertvolle Lebensräume für Insekten allerdings nur, wenn die Wiesen wenig gedüngt und wenig gemäht werden. Wir haben aber den gegenteiligen Trend: Es wird immer mehr gedüngt und fünf, sechs Mal im Jahr gemäht. Dieser Lebensraum kann dann von vielen Insekten nicht mehr genutzt werden.“ Insektizide im Kampf gegen Schädlinge sowie Unkrautbekämpfungsmittel verdrängen Bienen und Käfer ebenfalls.

Nicht zuletzt deshalb ist der Insektenbestand in den letzten dreißig Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Bei einem Drittel der Insektenarten war der Rückgang in den letzten zehn Jahren so stark, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Grundlage für diese Zahlen sind zwar vor allem Studien und Beobachtungen aus Deutschland. In Österreich ist die Situation aber vergleichbar, so Linhard.

Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit, Wasserqualität

Der Insektenschwund könnte wiederum erhebliche Folgen für die Landwirtschaft haben. Denn Insekten wie Bienen, Käfer, Fliegen und Schmetterlinge bestäuben Pflanzen und sorgen damit dafür, dass Äpfel bis hin zu Kürbissen wachsen. Die Ernte von Äpfeln, Kirschen oder Gurken würden um 40 bis 90 Prozent schrumpfen. Lediglich bei sieben von 107 untersuchten pflanzlichen Lebensmitteln würde dagegen kein Ernterückgang verzeichnet werden, zeigte eine Untersuchung des Weltrats für Biodiversität (IPBES) – science.ORF.at hat darüber berichtet.

Darüber hinaus leisten Insekten einen wesentlichen Beitrag, Gewässer sauber und Böden fruchtbar zu halten, ergänzt Dominik Linhard. Zudem fehlen Insekten als Nahrung für andere Lebewesen wie beispielsweise Vögel. So sind in Österreich in den letzten zwanzig Jahren ein Drittel der Vögel verschwunden. „Das sind alles Hinweise darauf, dass die Insektenrückgänge ganz massiv sind.“

Auch Gartenbesitzer gefordert

Linhard und seine Kollegen fordern nicht nur die Politik dazu auf, Maßnahmen für eine insektenfreundlichere Land- und Forstwirtschaft zu setzen. Sie appellieren auch an Gartenbesitzer, beispielsweise wertvolle Unkräuter wie Brennnesseln stehen zu lassen und heimische Kräuter und Wildblumen anzupflanzen. Zudem sollte man Streifen im Garten nie oder nur einmal im Jahr, vielleicht sogar nur einmal alle zwei Jahre mähen, so der Biologe.

Dass es wirklich insektenfreundlicher geht, zeigt übrigens auch eine aktuelle Studie im Fachjournal "Ecology and Evolution“. Demnach leben auf ökologisch bewirtschaftetem Weideland 60 Prozent mehr Schmetterlingsarten als auf konventionell betriebenem. Und es gibt dort von der Biomasse her mehr als doppelt so viel Insekten.