Technisches Museum Wien, Haupthalle
APA/TECHNISCHES MUSEUM WIEN
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Gender

Technik braucht neue Erzählung

In naturwissenschaftlichen Museen geht es um bahnbrechende Erfindungen und fantastische Entdeckungen, die unsere Gesellschaft vorwärts gebracht haben. Eines bleibt oft ausgeblendet: Die Macht der Erzählung, meint eine Archivarin. Sie orientiert sich meist an einer heterosexuellen Norm.

Jedes Objekt hat auch eine soziale Geschichte, und die sollte auch erzählt werden, meint Martha Clewlow von den London Metropolitan Archives. Anfang März war sie zu Gast in Wien anlässlich einer Tagung zu Gender und Sexualität in Technik- und Wissenschaftssammlungen, die im Technischen Museum in Wien stattgefunden hat.

Martha Clewlow hat die Verschlagwortung von Objekten im Londoner Wissenschaftsmuseum analysiert. Unter den Begriffen „Paar“ oder „Liebe“ tauchten ausschließlich Mann-Frau-Beziehungen auf. Doch zu den Museumobjekten gehörten auch historische Plakate einer Anti-AIDS Kampagne, die für Kondome warb. Die beiden abgebildeten Männer wurden aber nicht als Paar kategorisiert. „Das war für mich ein Schock, dass die Männer auf diesen Plakaten zum Thema Safe Sex und HIV nicht als Paar im Katalog auftauchten, obwohl es hier eindeutig um eine geschlechtliche Beziehung ging“, so Clewlow.

Rollen verschwiegen

Welche Rolle Frauen in der Wissenschaft gespielt haben und spielen, dass so mancher Erfinder schwul gewesen ist und dass es Menschen gibt, die sich als Transgender definieren – all das wird in den technischen oder naturwissenschaftlichen Museen großteils immer noch verschwiegen. Die angeblich neutrale Information sei in Wahrheit aber eine Entscheidung für eine rein heterosexuelle Erzähltradition, so Clewlow: „Wenn man die soziale Geschichte hinter einem Objekt nicht erzählt, ist das auch eine Entscheidung“.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 24.4., 13:55 Uhr.

Während viele Museen sich endlich kritisch mit ihrer kolonialen Geschichte auseinandersetzen, soll nun auch die Geschlechterthematik ihren Platz in den Ausstellungen finden, fordert Clewlow. Das könne auf verschiedene Weisen geschehen. Eine Extra-Toilette für Transgender-Personen, mehr Platz für schwule Geschichten, eine größere Sensibilität bei der Katalogisierung von Objekten – solche Dinge können zu mehr Vielfalt und einer neuen Normalität in der Technik und Naturwissenschaft beitragen, so Clewlow.

Neue Ausrichtung geplant

Auch das Technische Museum Wien plant, der Genderthematik mehr Platz einzuräumen. Geplant ist etwa die Erarbeitung einer gendersensiblen Verschlagwortung, sowie Workshops und Weiterbildung zu dieser Thematik für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine Neusichtung der Dauerausstellung, um Gender und Sexualität auch hier mehr Raum zu geben.

Seit 2019 verfolgt das Technische Museum Wien eine sogenannte „genderinformierte Museumspraxis“. Grundlage sei einerseits die Überzeugung, dass das Museum als kulturelle und soziale Institution die Wahrnehmung der Welt prägt und Sichtweisen verfestigen sowie brechen kann – auch in Bezug auf Gender.