Ein Flugzeug landet auf einem Flughafen
AFP – KAMIL KRZACZYNSKI
AFP – KAMIL KRZACZYNSKI
Umwelt

Luftfahrtkrise könnte Klimachance sein

Der Flugverkehr, der normalerweise 15 Prozent der europäischen Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor verursacht, steht still. Das sei eine Chance, die Flugindustrie in Zukunft klimafreundlicher zu machen – heißt es aus Wissenschaft und Politik.

Die Klimakrise sei die zweite große Herausforderung, mit der sich Österreich derzeit konfrontiert sehe, sagte Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Als Folge der Covid-19-Pandemie stehe es schlecht um die wirtschaftliche Entwicklung. Der Green Deal der EU-Kommission könne hier als Wegweiser fungieren, so Gewessler weiter. Laut Green Deal sollen die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bis 2050 um 90 Prozent sinken. Der wirtschaftliche Wiederaufbau in Österreich bzw. in ganz Europa sollte also auf grüner Technologie und Nachhaltigkeit beruhen.

Pressekonferenz „Start-Up der Bundesregierung“

Einerseits gibt es den Covid-Start-Up-Hilfsfonds, der mit 100 Millionen Euro dotiert ist. 50 Millionen kämen von privaten Investoren. Andererseits wurde der Venture-Capital-Fonds eingerichtet. Über Details informieren Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), Klimaschutz-und Innovationsministerin Leonore GewesslerGewessler (Grüne) und Business Angel Michael Altrichter.

Kurzstrecke abschaffen, Mittelstrecke reduzieren

Wie das bei der Luftfahrtindustrie aussehen könnte, haben die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Alexander Behr von der Universität Wien aufgeschlüsselt. Derzeit stehen Flugzeuge weltweit weitgehend still. Die Austrian Airlines hat den österreichischen Staat deswegen um eine Unterstützung von 500 Millionen Euro aufwärts ersucht, um eine Insolvenz zu verhindern. Brand und Behr plädieren dafür, diese Unterstützung an klimafreundliche Bedingungen zu knüpfen und den Flugverkehr folglich einzuschränken. Laut Umweltbundesamt ist der Luftverkehr für fünf bis acht Prozent der derzeitigen globalen Klimagasemissionen verantwortlich.

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch die Sendung Wissen Aktuell, am 16.04., um 13.55 Uhr.

Eine mögliche Bedingung an die Luftfahrtindustrie betrifft Kurzstreckenflüge: Wer von Wien nach Innsbruck fliegt, sorgt damit für 13-mal so viel CO2-Ausstoß, wie jemand, der den Zug nimmt. Solche Kurzstreckenflüge sollte es in Zukunft gar nicht mehr geben, sagt Brand. „Und im nächsten Schritt sollten wir die europäischen Mittelstreckenflüge einschränken“, so der Politikwissenschaftler weiter. Stattdessen brauche es Investitionen in die Infrastruktur, in gute Zugsysteme und Hochgeschwindigkeitsnetze, um auch Mittelstreckenflüge reduzieren zu können.

Vielfliegen viel höher besteuern

Ein anderer Ansatzpunkt wäre das Vielfliegen, das unbedingt reduziert werden müsse. Deswegen sollten auch eine Kerosinsteuer und höhere Ticketabgaben eingeführt werden. Denkbar wäre beispielsweise ein progressives System, so Brand. „Ein erster Flug im Jahr könnte noch relativ günstig sein, mit jedem weiteren könnten die Steuern und Abgaben stark steigen, um das Vielfliegen wirklich teurer zu machen“, sagt Brand.

Die aktuell weitgehende Steuerbefreiung des Flugverkehrs entspricht laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) einer indirekten Subventionierung von etwa einer halben Milliarde Euro. Davon profitieren jene Menschen, die viel fliegen, und das sei nur ein kleiner Teil der österreichischen Bevölkerung, sagt Behr. „Befragungen zeigen, dass die Hälfte fliegt einmal oder seltener pro Jahr fliegt und nur ein Sechstel der österreichischen Bevölkerung mehrmals pro Jahr ein Flugticket bucht“, so Behr.

Gesellschaft soll mitbestimmen können

Dem Großteil der Beschäftigten der Austrian Airlines sollten klimafreundliche Arbeitsplätze angeboten werden bzw. die Möglichkeit, sich umzuqualifizieren, fordern die Politikwissenschaftler. Denn wenn weniger geflogen wird, brauche es auch weniger Beschäftigte. Für die finanzielle Unterstützung sollte der österreichische Staat eine Sperrminorität an Aktienanteilen erhalten. „Wir brauchen eine gesellschaftliche Kontrolle über diese extrem klimaschädlichen Wirtschaftssektoren, um sie transformieren zu können“, ist Behr überzeugt.

Ideen, denen auch Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler heute etwas abgewinnen kann: Staatliche Mitsprache in der Unternehmensführung der Austrian Airlines, die Einschränkung von Kurzstreckenflügen und höhere Flugticketabgaben gehören zu den Bedingungen, die an die Finanzspritzen für die Luftfahrtindustrie geknüpft werden könnten und derzeit geprüft werden.