Ein Vulkanausbruch wirkt wie eine plötzliche Naturkatastrophe: Der Krater speit Lava aus, die die unmittelbare Umwelt mit einer flüssigen Gesteinsschicht überzieht. Zwar gibt es Vulkanausbrüche, die nur wenige Stunden dauern, doch viele ziehen sich über Tage, manche sogar über Jahre hin. Die jüngste Eruption des Kilauea, ein aktiver Schildvulkan auf der hawaiianischen Insel Big Island, nahm 1983 ihren Ausgang. 35 Jahre lang drängte das Magma durch eine Reihe von Erdspalten im sogenannten östlichen Grabenbruch an die Erdoberfläche.

Am 3. Mai 2018 öffnete sich dieser Grabenbruch und gab einem massiven Lavaschwall nach, der den südöstlichen Teil von Big Island zerstörte. Warum aus der stetig schwellenden vulkanischen Aktivität plötzlich zerstörerische Lavaströme wurden, haben die Geopyhsiker Falk Amelung und Jamie Farquharson von der Universität Miami untersucht. Ihre Studie, die soeben in Nature erschienen ist, geht davon aus, dass ungewöhnliche starke Regenfälle am Beginn des Jahres die Ursache der Katastrophe sein könnten.
Rekordverdächtiger Niederschlag
Die Regenzeit beginnt in Hawaii typischerweise im März. 2018 setzten diese ersten Regenfälle des Jahres allerdings früher ein und sie brachen alle Rekorde. Daten von NASA-Satelliten und anderen Messstellen konnten eine durchschnittliche Niederschlagsmenge von mehr als 2,25 Metern – das entspricht 2.250 Litern pro Quadratmeter – im ersten Jahresviertel ermitteln. In Jahren zuvor war man auf 0,9 Meter im Durchschnitt gekommen. Das könnte dazu geführt haben, so die These der beiden Geophysiker, dass der Grundwasserspiegel stark angestiegen ist, was wiederum den Druck auf das Gestein erhöht habe. In Folge habe das Magma neue Risse an anderen Orten der Insel gefunden, die dem Druck aus dem Erdinneren nachgegeben haben.
Die Studie:
Extreme rainfall triggered the 2018 rift eruption at Kīlauea Volcano von Jamie I. Farquharson und Falk Amelung ist am 22.4. in Nature erschienen.
Ausgangspunkt der Studie waren Kenntnisse über die Gesteinsbeschaffenheit: Das vulkanische Gestein in Hawaii ist sehr durchlässig. Regenwasser kann dort einige Kilometer tief unter die Erdoberfläche gelangen, also in die tieferen Erdschichten, wo das Magma gewissermaßen eingelagert ist. Damit sich der Druck in den unteren Erdschichten verändert, müsste sich Wasser über einige Wochen hinweg sammeln. Ob das vor dem Mai rund um den Kilauea so war, haben Farquharson und Amelung nun mit einem Modell errechnet.
Kilauea spuckt zur Regenzeit
Dass Regenfälle einen Einfluss auf seismische Ereignisse haben können, ist schon länger bekannt. Doch bis jetzt ging man davon aus, dass sich dieser Einfluss nur auf die Erdoberfläche bzw. die obersten Erdschichten erstreckt. Das Modell der US-Wissenschaftler zeigt, dass dieser Einfluss im Fall des Kilauea wesentlich tiefer in die Erde gereicht haben könnte. Ihren Berechnungen folgend habe der Druck in einer Tiefe von ein bis drei Kilometer stark zugenommen: Vor und während des Ausbruchs stieg er von etwa einhundert Megapascal auf eintausend Megapascal an. Damit erreichte die mechanische Spannung im Untergrund den höchsten Wert in 50 Jahren.

Farquharson und Amelung folgern daraus, dass dieser Druckanstieg das Gesteinssystem weiter schwächte und zu mechanischen Fehlern führte, was die große Eruption letztlich möglich gemacht habe. Sie untermauern ihre These auch mit historischen Beobachtungen und Aufzeichnungen. Demnach traten 60 Prozent der Ausbrüche des Kilauea während der Regenzeit auf, obwohl die wesentlich kürzer ist als die trockene Jahreszeit. Das lege eine Korrelation zwischen Niederschlag und vulkanischen Aktivitäten des Kilauea im Verlauf der Geschichte nahe.
Nur Modelle, keine Messungen
Der Geowissenschaftler Michael Manga vom Department of Earth and Planetary Science der Universität Berkely kann den Thesen seiner Kollegen in einem Nature-Kommentar durchaus etwas abgewinnen. Dass externe Prozesse, die nicht vom Erdinneren ausgehen, eine Rolle bei Vulkanausbrüchen spielen können, sei eine Erinnerung daran, dass Vulkane Teil des dynamischen Erdsystems seien. Manga gibt zu bedenken, dass es sich hierbei um Modelle handle, nicht um Messungen. Denn beim Monitoring von Vulkanen würden weder laufend Druckmessungen in tieferen Erdschichten vorgenommen noch hydrogeologische Daten erhoben.
Wie so oft in den Geowissenschaften, müssten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler historische Aufzeichnungen heranziehen, schreibt Manga. So auch im Fall des Kilauea, der – historisch gesehen – zu nassesten Zeit des Jahres wesentlich öfter aktiv wird. Manga plädiert dafür, die Wechselwirkungen von Oberfläche, Umwelt, Klima und Wetter mit vulkanischen Aktivitäten genau zu beleuchten. Beim Verständnis dieser Wechselwirkungen, stehe die Wissenschaft erst am Anfang.