Mutter hilft Kind beim Aufsetzen einer Nasen-Mund-Gesichtsmaske
APA/AFP/Desiree Martin
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Coronavirus

Kinder genauso virenbelastet

Ob Kinder das Coronavirus genauso verbreiten wie Erwachsene, ist umstritten. Erkrankte Kinder sind aber zumindest genauso stark mit Viren belastet, wie nun die Studie eines Teams rund um den deutschen Virologen Christian Drosten zeigt.

„Die Rolle von Kindern ist nicht geklärt“, hatte der Leiter der Virologie an der Berliner Charite noch seinen jüngsten NDR-Podcast genannt. Mit der soeben erschienenen, noch nicht von der Fachgemeinde überprüften Studie trägt er nun zur Differenzierung der Debatte bei – auch auf Twitter, wo Drosten eine Kürzestfassung samt Grafik veröffentlicht hat.

„Kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen“ lautet die Kurzfassung der Studie – und bezieht sich auf die Virenkonzentration Erkrankter im Rachen. Ebendiese haben die Forscher und Forscherinnen bei 3.712 Personen untersucht, deren Proben in den Labors der Berliner Charite bis zum 26. April positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Die Ergebnisse ordneten sie Alters- bzw. Bildungsgruppen zu und dabei zeigte sich, dass die Virenlast überall sehr ähnlich ist.

Viel weniger Kinder erkranken

Es gibt aber einen großen Unterschied: Die absoluten Zahlen der Kinder waren sehr gering. So befanden sich unter den Proben nur jene von 37 Kindern im Kindergartenalter sowie von 16 Volksschülern und von 74 Jugendlichen aus weiterführenden Schulen. Das liegt daran, dass Kinder viel seltener an Covid-19 erkranken bzw. Symptome zeigen als Erwachsene – was allerdings auch die Aussagekraft der aktuellen Studie relativiert. Denn üblicherweise braucht es für eindeutige Aussagen größere Stichproben. Das wiederum liegt an den geringen Fallzahlen von Kindern in den epidemiologischen Studien weltweit.

Drosten und Kolleginnen verweisen selbst auf eine jüngste Zählung, wonach es rund um den Globus bisher erst gesicherte Coronavirus-Daten zu knapp über 1.000 Kindern gibt. Sie werden wegen mangelnder Symptome oder milder Verläufe oft nicht als Fälle erkannt. Das heißt laut den Forschern aber nicht, dass sie weniger ansteckend sind.

Warnung vor Öffnung von Schulen und Kindergärten

„Da es aufgrund dieser Studie keine statistischen Beweise gibt, dass Kinder eine geringere Virenlast tragen, warnen wir vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten – in einer Situation, in der ein Großteil der Bevölkerung für die Krankheit anfällig ist und die Übertragung nur durch nicht-medikamentöse Maßnahmen niedrig gehalten werden muss“, schreibt das Team um Drosten. „Kinder könnten genauso ansteckend sein wie Erwachsene.“

Die Autoren schreiben im Konjunktiv, das letzte Wort ist damit – wie immer in der Wissenschaft – nicht gesprochen. Für ihre These spricht etwa, dass virenbelastete Kinder ohne Symptome und somit ohne Wissen von Eltern und Umgebung zu „Superspreadern“ werden könnten. Dagegen spricht der Umstand, dass diese symptomlosen Kinder auch weniger Viren ausstoßen – weil sie etwa nicht husten oder niesen.

Faßmann: „Entwicklung genau im Auge behalten“

Angesichts der Studie von Drosten und seinem Team, meinte ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann am Donnerstag, dass bei einem erneuten signifikanten Anstieg der Coronavirus-Infektionen der Präsenzunterricht an den Schulen wieder ausgesetzt werden könnte. „Wir müssen und wir werden die Entwicklung genau im Auge behalten“, so Faßmann in einer Stellungnahme. „Alle Maßnahmen in Richtung stufenweise Öffnung unserer Schulen stehen unter der Bedingung einer positiven Entwicklung der Pandemie.“

Die Einschätzung der Infektiosität von Kindern bleibt kompliziert, wie auch Drostens Team schreibt. Dass Schulen und Kindergärten etwa sehr früh geschlossen wurden, könnte das Ansteckungsrisiko von Kindern verschleiert haben, denn die wichtigen Infektionsquellen wurden damit quasi ausgeschaltet – ganz im Sinne der Krankheitsbekämpfung, aber paradoxerweise schlecht für die Evidenzfindung.