Internistische Intensivstation Innsbruck
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Coronavirus

Probleme mit künstlicher Beatmung

Sechs Prozent der Covid-19 Patienten und Patientinnen müssen auf der Intensivstation behandelt werden, das zeigen erste Erhebungen in Tirol. Ihre Sterblichkeitsrate liegt bisher bei unter 20 Prozent. Dennoch bereitet die künstliche Beatmung der Lunge große Probleme und Schäden sind oft nicht zu vermeiden.

Die meisten Menschen, die am neuartigen Coronavirus erkranken, können sich zu Hause auskurieren. Durchschnittlich einer von fünf Infizierten muss allerdings ins Spital. Bei ihnen wandern die Viren nach mehreren Tagen vom Rachen hinunter und befallen die Lunge. Aber auch hier gilt: Patient ist nicht gleich Patient, erklärt der Intensivmediziner Michael Joannidis von der Uniklinik Innsbruck. „Der Punkt ist, dass die Art, wie die Lunge befallen ist, zwischen den einzelnen Patienten extrem unterschiedlich ist.“

Die meisten leiden unter einem Sauerstoffmangel. Oft reicht es, die Patienten und Patientinnen über mehrere Tage mit Sauerstoff über die Nase bzw. Maske auf Normalstation zu versorgen. Bei manchen wird die Lunge wiederum so stark von den Viren befallen, dass es zum Lungenversagen kommt und die Patienten auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Das betrifft etwa sechs Prozent aller Patienten, wie aktuelle Erhebungen an der Uniklinik in Innsbruck zeigen. „Zwei Drittel davon müssen in den künstlichen Tiefschlaf versetzt und maschinell über einen Tubus beatmet werden“, so Joannidis.

Lange und komplizierte Beatmung

Die Beatmung bei Covid-19-Intensivpatienten dauert mit zwei bis drei Wochen vergleichsweise lange. Was problematisch ist, weil die Beatmung über sehr lange Zeit zu Schäden führen kann. „In der erkrankten Lunge sind manche Areale weniger, andere wieder stärker von der Entzündung betroffen. Gesunde Bereiche brauchen aber weniger Beatmungsdruck als erkrankte. Da ich nur einen Druck anbieten kann, der sich dann innerhalb der Lunge verteilt, muss man einen Kompromiss finden.“

Michael Joannidis, Leiter der Internistischen Intensivstation von der Uniklinik Innsbruck
MUI/Bullock
Michael Joannidis, Leiter der Internistischen Intensivstation an der Innsbrucker Uniklinik

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 2.5., 12:00 Uhr.

Wie sich die Lungenabschnitte unter Beatmung verhalten, weiß man nicht genau. Dadurch kann an einer Stelle zu viel Druck entstehen und die Lunge weiter geschädigt werden. Auch zu viel Sauerstoff kann weitere Entzündungsreaktionen auslösen. Bei Covid-19-Patienten und -Patientinnen ändert sich der Druck- und Sauerstoffbedarf der erkrankten Lunge zudem täglich, manchmal innerhalb von Stunden. Die Beatmung muss daher dauernd an die Bedürfnisse angepasst werden.

80 Prozent der Intensivpatienten genesen

Aktuell scheint man die Situation gut im Griff zu haben. Einer vorläufigen Bilanz aus den Tiroler Spitälern zufolge sind bisher weniger als 20 Prozent der Intensivpatienten gestorben. In anderen Ländern wie Italien oder China lag die Sterblichkeit bei ungefähr 50 Prozent. „Es kann sich natürlich der Prozentsatz ändern. Diese 20 Prozent sind eine vorläufige Zahl, weil ja noch einige Patienten in Behandlung sind.“ Am Dienstag dieser Woche waren in Innsbruck konkret von 25 Patienten 17 auf der Intensivstation.

Wie in allen Bereichen versucht man die Behandlung weiter zu verbessern, auch mithilfe neuer Technologien. So haben beispielsweise deutsche Forscher ein Programm entwickelt, das ein exaktes Modell von der Lunge eines Patienten erstellt und zeigt, wie sich einzelne Lungenabschnitte bei der Beatmung verhalten. Damit kann das Programm genau angeben, wie viel Druck und Sauerstoff die Lunge braucht bzw. verträgt, erklärt der Lungenmediziner Ivan Tancevski von der Uniklinik Innsbruck. „Wenn man wirklich nur dezidiert den Druck und den Sauerstoff geben kann, der im Moment notwendig ist, wäre das natürlich optimal.“

Blutverdünnung gegen Gerinnsel

Eine zweite relativ neue Entwicklung auf diesem Gebiet könnte mit elektrischer Widerstandsmessung zudem kurzfristige Veränderungen bei der Beatmung der Lunge anzeigen. Dieses Verfahren zeigt allerdings nicht die gesamte Lunge, sondern nur einen Querschnitt an. „Idealerweise wird man beide Verfahren in Zukunft verbinden. Dann kann man die Ergebnisse immer wieder abgleichen“, so Joannidis. Bis es soweit ist, könnte aber noch einige Monate dauern. Noch müssen die Methoden in der täglichen Spitalspraxis erprobt werden.

Es gibt aber auch noch viele Fragen rund um das SARS-Coronavirus zwei, betont der Lungenmediziner Tancevski. So zeigen erste Obduktionen etwa, dass die Viren auch Blutgefäße befallen können, was die Bildung von Blutgerinnseln fördern und den Sauerstoffaustausch in der Lunge noch weiter blockieren kann. Aus diesem Grund verdünnt man das Blut von Covid-19-Intensivpatienten mehr als normal üblich, so Tancevski.

Sehr unterschiedliche Verläufe

„Das ist für mich unerwartet und meines Wissens nicht üblich. Vermehren sich die Viren auch in den Gefäßzellen, kommt es dort umso mehr zu einer verstärkten Entzündung, zu einer vermehrten Weitstellung der Gefäße und die üblichen Mechanismen in der Lunge funktionieren nicht mehr. Die Lunge kann sich damit nicht mehr selbst regulieren“, erklärt Tancevski. Nach jetzigem Wissensstand scheint das nur wenige Patienten zu betreffen.

Auch ist noch unklar, warum die Lunge bei manchen Patienten so viel schwerer erkrankt als bei anderen. Zum einen könnten hier die Gene eine Rolle spielen. Dass ein solcher Zusammenhang möglich ist, zeigen zumindest Studien mit Influenza- sowie SARS-Coronavirus-1-Erkrankten. Dieser Hypothese will man auch in Innsbruck nachgehen, so Tancevski. „Auf der anderen Seite zeigen Studien zu SARS-1, dass nicht alle Antikörper gleich gut sind. In manchen Fällen hat die Immunantwort dem Virus damals sogar geholfen, in die Zelle einzudringen.“ Aber auch das ist im Zusammenhang mit dem Sars-Cov-2 zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Vermutung. Künftige Studien sollen hier Aufschluss geben.