Sonne am Himmel, ausgetrockneter Baum
APA/HARALD SCHNEIDER
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Prognose

2070: Zu große Hitze für Milliarden

Wenn der Ausstoß an Treibhausgasen nicht gemindert wird, könnten in 50 Jahren bis zu drei Milliarden Menschen in Gebieten mit einer Durchschnittstemperatur von über 29 Grad Celsius leben. Das wäre außerhalb der klimatischen Nische, die für den Menschen ideal ist und die er seit mindestens 6.000 Jahren bewohnt.

„Das Coronavirus hat die Welt in einer Weise verändert, die noch vor wenigen Monaten schwer vorstellbar war, und unsere Ergebnisse zeigen, wie der Klimawandel etwas Ähnliches bewirken könnte“, so Marten Scheffer von der Universität Wageningen (Niederlande) in einer Aussendung. Die Veränderungen würden zwar weniger schnell ablaufen, aber anders als bei der aktuellen Pandemie könne man nicht auf eine Erleichterung in absehbarer Zeit hoffen.

Die Studie

„Future of the human climate niche“, PNAS, 4.5.2020

Für ihre Analyse blickten Scheffer und Kollegen zum einen in die Vergangenheit. Anhand vorhandener Datenbanken glichen sie die bevorzugten Siedlungsgebiete des Menschen mit den klimatischen Bedingungen in diesen Regionen ab. Sie fanden einen Höhepunkt der Bevölkerungsdichte bei Jahresdurchschnittstemperaturen von etwa elf bis 15 Grad Celsius und einen kleineren Höhepunkt bei 20 bis 25 Grad Celsius. Diese Verteilung hat sich in den vergangenen 6.000 Jahren kaum geändert, weshalb die Forscher diese Temperaturspanne als die „ökologische Nische des Menschen“ bezeichnen.

Appell an die Weltgemeinschaft

Beim Blick in die Zukunft verwendeten die Wissenschaftler eine Klimaszenario aus dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC). Diese geht davon aus, dass sich die Konzentration der Treibhausgase weitgehend ungebremst wie in den vergangenen Jahrzehnten entwickeln wird. Die Temperaturen werden in den verschiedenen Weltregionen entsprechend steigen. Zudem nutzten die Forscher das sozioökonomische Szenario SSP 3 für die Entwicklung der Weltbevölkerung.

Grafik zu Hitze 2070
Chi Xu
Derzeit hat es nur in den schwarz markierten Regionen eine Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius. Bis 2070 könnten sich diese Gebiete auf die gesamte schraffierte Fläche ausbreiten.

Die Modellrechnungen ergaben, dass sich Gebiete mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von mehr als 29 Grad Celsius von jetzt 0,8 Prozent der weltweiten Landfläche (vor allem in der Sahara) bis 2070 auf 19 Prozent ausdehnen werden. Die Gebiete lägen vor allem in Südamerika, Afrika, Indien, Südostasien und Nordaustralien. Allein in Indien wäre mehr als eine Milliarde Menschen davon betroffen, in Nigeria, Pakistan, Indonesien und Sudan jeweils mehr als 100 Millionen Menschen.

„Dies hätte nicht nur verheerende direkte Auswirkungen, sondern es wäre für Gesellschaften auch schwieriger, künftige Krisen wie neue Pandemien zu bewältigen“, betont Scheffer. Solche Temperaturanstiege bedeuteten nicht zwangsläufig, dass die Menschen aus den betroffenen Gebieten auswandern würden; denn für Migration gebe es ein komplexes Bündel an Gründen. Dennoch sieht Scheffer die Ergebnisse der Studie als Appell an die Weltgemeinschaft an, den Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) rasch zu senken.