Eine übergewichtige Frau am Strand
AFP/THEO ROUBY
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Langzeitdaten

Mit dem Wohlstand steigt das Gewicht

In reichen Ländern leben mehr übergewichtige Menschen als in armen. Eine Auswertung von Daten aus 147 Ländern über 40 Jahre zeigt: Wenn das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent steigt, wächst der Anteil der Übergewichtigen etwa im selben Umfang.

Wie die Forscherinnen und Forscher um Debabrata Talukdar von der New York State University in ihrer soeben in „PLOS ONE“ erschienenen Studie schreiben, sind heute weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen übergewichtig. Laut WHO zählen Übergewicht und Fettleibigkeit zu den Hauptrisikofaktoren für schwere Erkrankungen.

Verantwortlich für die globale Gewichtszunahme in den vergangenen Jahrzehnten ist paradoxerweise ein Umstand, von dem die Menschen und ihre Gesundheit eigentlich vor allem profitiert haben, nämlich dem steigenden Wohlstand. Die Gesundheitssysteme wurden ausgebaut und eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen war dadurch gewährleistet. Daraus wurde allerdings bald ein Überangebot an Nahrungsmitteln, und die Menschen bewegten sich immer weniger, weil sie vermehrt in sitzenden Jobs arbeiteten: Der „Wohlstandsspeck“ wuchs. D.h., je reicher ein Land wurde, umso dicker wurden seine Einwohnerinnen und Einwohner.

Keine Trendumkehr

Einige Studien der letzten Jahre kamen allerdings zum Schluss, dass sich die Entwicklung nicht für immer in dieser linearen Weise fortsetzen muss. Denn ab einem bestimmten Einkommensniveau wachse auch das Wissen über gesunde Ernährung und über die Vorteile eines geringeren Körpergewichts. Außerdem kann es sich die oder der einzelne leisten, Geld für gesundes Essen oder ein Fitnessstudio auszugeben.

Plus Size- Models bei einer Show in London
AFP/ANDREW COWIE
Plus Size-Models bei einer Show in London

Demnach müsste die Gewichtskurve in Gesellschaften ab einem gewissen Reichtum wieder abflachen oder sich sogar umdrehen. Letzteres ist in den vergangenen vier Jahrzehnten jedenfalls definitiv nicht passiert, wie Talukdars Team nun statistisch ermittelt hat. Verwendet wurden dafür Daten aus 40 Jahren (1975 bis 2014) aus 147 Ländern. In sehr reichen Ländern konnten die Forscher lediglich ein leichtes Abflachen der Kurve festgestehen. Generell sorge steigender Wohlstand immer noch überall für eine Gewichtszunahme. Für jeden Prozentpunkt, um den das Bruttoinlandsprodukt wächst, steigt der Anteil an Übergewichtigen bei Männern im Schnitt um 1,23 Prozent, bei Frauen um gut ein Prozent.

Gesellschaftsmerkmale entscheidend

Der Zusammenhang sei aber mancherorts stärker bzw. schwächer, schreiben die Forscher. Nationale Eigenheiten dürften dafür verantwortlich sein – zumindest legt das die statistische Auswertung nahe. Reiche Länder, die besonders globalisiert sind – u.a. gemessen an der Teilnahme am freien Markt oder der Internetnutzung der Einwohner – sind stärker von der Gewichtszunahme betroffen als beispielsweise Länder, die noch einen relativen hohen Anteil an eigener landwirtschaftlicher Produktion haben. Wie die Studienautoren ausführen, gebe es mit zunehmender Industrialisierung meist mehr verarbeitete Lebensmittel und Fast Food – das begünstige bekanntermaßen Übergewicht.

Interessanterweise wirkt sich der Wohlstand in stark urbanisierten Ländern dennoch nicht so stark auf das Gewicht aus. Auch dafür haben die Forscher eine Erklärung: Das habe mit der „Urbanisierung des Landlebens“ zu tun. Früher waren die Leute am Land ärmer und haben sich im Alltag viel mehr bewegt. Heute hat das umfassende Nahrungsmittelangebot auch diese Regionen erreicht. Studien aus den vergangenen Jahren hätten schon gezeigt, dass der Body-Mass-Index (BMI) am Land besonders stark zunimmt.

Weitere Zunahme

Soziale und wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb der Länder könnte natürlich auch einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Körpergewicht haben, betonen die Forscher. Bei der nun veröffentlichten Analyse wurde er nicht berücksichtigt.

Wenn man die Wachstumsprognosen für die nächsten Jahre – vor allem in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen – heranzieht, wird das globale Übergewichtsproblem jedenfalls weiter wachsen. Deswegen sollte das Wirtschaftswachstum nach Ansicht der Forscher unbedingt mit anderen Maßnahmen flankiert werden, wie z.B. Kampagnen zum Thema Ernährung oder positive Anreize für ein gesünderes Leben.