Österreichischer Staatvertrag mit Siegeln und Unterschriften
APA/HANS HOFER
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Staatsvertrag

Österreichs Souveränität in 38 Artikeln

Vor 65 Jahren – am 15.5.1955 – haben die Besatzungsmächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich den „Staatsvertrag über die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich“ geschlossen.

Zu den grundlegenden Prinzipien, die in den 38 Artikeln des Vertrags geregelt wurden, gehören die Aufrechterhaltung der Demokratie und – mit dem Weiterbestand des Habsburger-Gesetzes – der Republik, das Verbot nationalsozialistischer Organisationen, das Verbot des Anschlusses an Deutschland, die Einhaltung der Menschenrechte und das Verbot von Spezialwaffen.

Geregelt wurden weiters die Rückkehr der Kriegsgefangenen nach Österreich sowie die künftige Pflege von Kriegsgräbern und „Denkmälern, die dem militärischen Ruhm der Armeen gewidmet sind, die auf österreichischem Staatsgebiet gegen Hitler-Deutschland gekämpft haben“. Dazu kommt eine Reihe von vermögensrechtlichen Bestimmungen. Die Sowjetunion ließ sich die Verfügungsgewalt über das „deutsche Eigentum“, die Basis der späteren verstaatlichten Industrie, teuer abkaufen.

Grenzverlauf und Minderheiten

Festgelegt wurden auch der Grenzverlauf sowie die Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Österreich, weshalb – neben Brasilien, Australien, Neuseeland, Polen und Mexiko – auch das damalige Jugoslawien und die Tschechoslowakei dem Vertrag beitraten. Die im Staatsvertrag vorgesehenen zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten wurden allerdings erst mit Jahrzehnten Verspätung nach erfolgreichen Klagen von Minderheitenvertretern umgesetzt.

Leopold Figl präsentiert den Staatsvertrag
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Leopold Figl präsentiert den Staatsvertrag

Zu einer Änderung des Staatsvertrages kam es im Herbst 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem „Zwei plus vier“-Vertrag, der 1990 für Deutschland die Wiedervereinigung und das Ende der Nachkriegsordnung brachte. Österreich hat Bestimmungen über den Ankauf von Raketen, deutschem Rüstungsmaterial und deutschen Zivilflugzeugen sowie Einschränkungen bei der Übertragung ehemaliger deutscher Vermögenswerte für obsolet erklärt, was von den vier Signatarmächten in der Folge auch anerkannt wurde.

Neutralität später beschlossen

Nicht Gegenstand des Staatsvertrages ist die Neutralität. Das Neutralitätsgesetz wurde vom Nationalrat erst am 26. Oktober 1955 beschlossen. Politisch betrachtet freilich ist der Zusammenhang ein enger. Die Verpflichtung Österreichs, eine Neutralität nach Schweizer Vorbild zu wählen, war Bedingung der Sowjetunion für die Zustimmung zum Staatsvertrag.

In der kollektiven Erinnerung fest verankert ist das Bild, auf dem Außenminister Leopold Figl die Vertragsurkunde nach der Unterzeichnung am Balkon des Belvedere der Öffentlichkeit präsentiert. Der berühmte Ruf „Österreich ist frei!“ erfolgte allerdings anders als vielfach angenommen nicht am Balkon. Das Zitat fiel kurz zuvor bei einer Ansprache des Außenministers im Marmorsaal des Schlosses.

Das zeigt auch das APA-Archiv 1955 bis 1985 mit seiner Wiedergabe der Figl-Rede im Marmorsaal: „Mit dem Dank an den Allmächtigen wollen wir die Unterschrift setzen und mit Freude rufen wir aus: Österreich ist frei!“, sagte Figl, bevor er und die Außenminister der vier Alliierten den Vertrag am Balkon präsentierten (der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow übrigens warf von dort „Kusshändchen“, weiß das APA-Archiv).