Szene  aus dem Trickfilm „Bambi“
Buena vista
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Onkologie

Disneyfilme helfen bei Krebstherapie

Seit Jahrzehnten prägen Disneyfilme die Kindheit von Menschen, für viele Erwachsene sind sie positive Erinnerungen. Wie die aktuelle Studie einer Wiener Onkologin zeigt, können davon sogar Patientinnen während der Krebstherapie profitieren.

Als die Gynäkoonkologin Sophie Pils mit ihrer kleinen Cousine einen Disneyfilm ansah, sagte die damals Zwölfjährige: „Jeder Mensch ist glücklicher nach einem Disneyfilm.“ Mit dieser Behauptung entstand die Idee zu einem Forschungsprojekt, das nun im Fachjournal „JAMA“ veröffentlicht wurde. „Ich wollte wissen, ob es sich auf unsere Krebspatientinnen tatsächlich positiv auswirken kann, wenn man ihnen während einer Chemotherapie einen Disneyfilm zeigt“, erklärt Studienleiterin Pils von der Medizinischen Universität Wien.

Müdigkeit und Übelkeit

Die Patientinnen, die von Sophie Pils im AKH in Wien behandelt werden, leiden an Eierstock-, Gebärmutterhals- oder Gebärmutterkrebs. Alle drei bis vier Wochen kommen sie zur Chemotherapie ins Spital. Je nach Behandlung dauert das eineinhalb bis vier Stunden. Danach fühlen sich viele in der Regel müde und erschöpft, einige kämpfen mit Übelkeit, berichtet Pils. „Das liegt einfach daran, dass die Blutzellen im Körper kaputt gehen, und das ist für den Körper unglaublich anstrengend.“

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 22.5., 13:55 Uhr.

Anfangs stieß das Forschungsvorhaben bei den Betroffenen eher auf Skepsis. Einige nahmen es schlicht nicht ernst, schildert die Medizinerin. „Dann hat es eine unglaubliche Dynamik bekommen und alle wollten in die ‚Disneygruppe‘. Es brauchte aber natürlich auch eine Kontrollgruppe.“ Also Frauen, die sich keinen Film während der Behandlung ansehen.

Klassiker: Arielle bis Robin Hood

In der Studie übernahmen diese Rolle 25 Patientinnen. Sie taten das, was sie während der Therapie normalerweise auch tun: hauptsächlich schlafen, lesen, auf dem Handy spielen, tratschen oder stricken.

Die 25 Frauen aus der „Disneygruppe“ sahen sich in den sechs Chemotherapie-Einheiten am Tablet Klassiker wie Cinderella, Susi und Strolchi, Die Hexe und der Zauberer, Mary Poppins, Aristocats, Das Dschungelbuch, Robin Hood oder Arielle an. „Wir haben bewusst relativ alte Filme ausgewählt, weil unsere Patientinnen meist im Alter von 50 plus sind. Wir wollten sichergehen, dass sie den Film in einer Zeit gesehen haben, wo sie definitiv gesund waren. Wo sie vermutlich Zeit mit ihrer Familie verbracht haben oder teilweise selbst noch Kinder waren. Es sollte sie in eine positive und glücklichere Zeit zurückversetzen.“

Filmszene aus Marry Poppins: Dick Van Dyke und Julie Andrews am Set
ASSOCIATED PRESS
Julie Andrews und Dick Van Dyke am Set von „Mary Poppins“

Um herauszufinden, ob die Filme einen positiven Effekt haben, wurden die Patientinnen jeweils vor und nach der Behandlung zu ihrem Befinden und ihren sozialen Aktivitäten befragt.

Wie sich zeigte, fühlten sich die Patientinnen in der „Disneygruppe“ tatsächlich weniger angespannt, weniger gereizt und sie machten sich weniger Sorgen. Auch waren sie weniger müde und erschöpft, beziehungsweise: Zumindest nahmen sie es nicht so stark wahr, fasst Pils die Ergebnisse zusammen. „Manche sagten auch, es war eine gute Ablenkung. Durch die Studie waren sie gezwungen, einfach zuzusehen und nichts daneben zu tun. Viele haben das als Anstoß genommen, sich danach mehr Zeit für sich zu nehmen.“

Auffällig ist auch, dass die Frauen in der Filmgruppe während der Studiendauer eher auf ihre Freunde und Familien zugingen und sie anriefen. „Onkologische Patienten wollen in der Regel niemanden belasten und lehnen Hilfe oft ab. In diesem Fall haben einige zum Beispiel ihre Kinder angerufen, mit denen sie die Filme früher angesehen haben.“

Gestiegene Lebensqualität

In Summe beobachteten die Forscherinnen und Forscher, dass die Lebensqualität bei den Frauen in der „Disneygruppe“ von Therapie- zu Therapieerfolg stieg. Bei den anderen Patientinnen blieb der Zustand über die sechs Monate hingegen gleich. „Wir glauben, dass die soziale Kompetenz und emotionale Reife der Patientinnen durch die Filme gestärkt wurden, weil sie teilweise auch starke, weibliche Charaktere zeigen. Es geht um Akzeptanz, die persönliche Reife, es sind eigentlich Entwicklungsromane. Auch zeigen einige Filme, wie sich das Kind ohne Mutter weiterentwickeln kann zu einem reifen Erwachsenen“, interpretiert die Medizinerin die Ergebnisse.

Natürlich bräuchte es noch weitere Studien, um zu sehen, ob der positive Effekt tatsächlich auf die Disneyfilme zurückzuführen ist oder ob es auch mit anderen Filmen ginge bzw. ob auch andere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. „Ich glaube aber, dass es eine sehr einfache Art ist, den Patientinnen das Leben während der Chemotherapie ein bisschen zu erleichtern“, ist Pils überzeugt.