Sonne am Himmel, ausgetrockneter Baum
APA/HARALD SCHNEIDER
APA/HARALD SCHNEIDER
Biodiversitätsrat

Vorschläge gegen die Klimakrise

Der Umwelt- und Klimakrise dürfe in Zeiten des Coronavirus nicht vergessen werden, hat heute der Österreichische Biodiversitätsrat gefordert und Vorschläge für konkrete Maßnahmen gemacht: Darunter sind ökologische Vorrangflächen und eine Milliarde Euro für den Biodiversitätsfonds.

Im Gegensatz zur Coronavirus-Pandemie werden sich die katastrophalen Folgen der Klima- und Umweltkrise erst in einigen Jahrzehnten voll einstellen. Für Politiker und Politikerinnen mögen Langzeitszenarien und damit einhergehende vorbeugende Maßnahmen ein undankbares Geschäft sein. Zum einen, weil die Einsicht der Menschen in eine Änderung der Lebensweise gering ist, solange keine offensichtliche Krise besteht, zum anderen, weil die vollen Auswirkungen der Klimakrise wohl nicht mehr in die Amtsperiode der gegenwärtigen Regierung fallen.

In der aktuell laufenden Woche der Artenvielfalt möchte der Österreichische Biodiversitätsrat deshalb mit einem gemeinsamen Aufruf Öffentlichkeit und Politik wachrütteln und hat ein Papier mit Forderungen an die Bundesregierung präsentiert.

Dürre, Migration und Todesopfer

Für die Wissenschaft zeichne sich schon lange ab, was auf uns zukommen wird, wenn wir nicht sehr bald sehr konkret handeln, erklärt der Biodiversitätsforscher Franz Essl vom Österreichischen Biodiversitätsrat, einem Netzwerk aus 22 Forscherinnen und Forschern unterschiedlicher Disziplinen.

Noch mehr Menschen werden in Zukunft aus ihrer Heimat fliehen, weil Dürre oder Überflutungen zu Hunger und Kriegen führen. „Es gibt Schätzungen über Todesraten infolge von extremen Hitzeperioden oder auch von Ernteausfällen, die in die Millionen gehen, wenn man länger in die Zukunft sieht“, so Franz Essl.

Die Wissenschaftler vom Biodiversitätsrat fordern Politik und Gesellschaft auf, die Klimakrise mit der gleichen Entschlossenheit zu bekämpfen, wie die Coronavirus-Krise. Dazu gehöre, dass man das 1,5 Grad-Ziel eines maximalen Temperaturanstiegs auf der Erde, das im Pariser Übereinkommen festgelegt ist, politisch endlich ernst nehme und mit konkreten Maßnahmen in Österreich umsetze. Gefordert wird eine ökosoziale Steuerreform, die Klimaschädigung und Naturschädigung bestraft und Klimaschutz- sowie Naturschutzkonformes Verhalten belohnt.

Eine Milliarde Euro für den Biodiversitätsfonds

Zehn Prozent aller Agrarlandschaften sollten außerdem zu ökologischen Vorrangflächen umgewidmet werden, fordert der Biodiversitätsrat in seinem heute veröffentlichten Papier. Solche Flächen können etwa mit Hecken bepflanzt sein, in denen Insekten Unterschlupf finden, aber auch artenreiche Wiesen, Feuchtgebiete, Bachufergehölzer und ähnliches. „Fehlen diese Flächen, dann ist es eine intensive Agrarwüste. Die Vorrangflächen sind nicht nur notwendig, um die Artenvielfalt in unserer Landschaft zu erhalten, sondern auch, um gerade im Klimawandel die Ertragssicherheit in der Landschaft zu garantieren“, so Franz Essl.

Konkret werden die Autoren auch beim Biodiversitätsfonds, der bereits im Regierungsübereinkommen steht: „Der braucht auch eine Ausstattung, die der Aufgabe angemessen ist. Wir verlangen, dass diese Ausstattung in der Größenordnung von einer Milliarde Euro liegt“, so Essl weiter.

Lehren aus der Coronavirus-Krise

Das Geld brauche es, um den Rückgang der Artenvielfalt zu bekämpfen und die noch bestehenden Ökosysteme zu schützen. Und zwar nicht erst, wenn es schon zu spät ist, warnt die Politikwissenschafterin Alice Vadrot von der Universität Wien und Mitglied des Biodiversitätsrats.

Die Coronavirus-Krise habe gezeigt, dass „Staaten und Organisationen, die proaktiv und frühzeitig auf die Pandemie reagieren, am besten durch die Krise gehen. Eine wichtige Lehre daraus muss sein, in der Biodiversitätskrise nicht zuzuwarten, sondern zu handeln“, so Vadrot. Der Biologe Christian Sturmbauer und ebenfalls Mitglied des Biodiversitätsrats ergänzt: „Ökosysteme sind als Fließgleichgewicht nur dann stabil, sofern sich relevante Parameter innerhalb bestimmter Grenzen halten. Werden diese überschritten, besteht die Gefahr einer raschen katastrophalen Veränderung, die Systeme und Artengemeinschaften als Ganzes betrifft.“

Wann der Zeitpunkt sein wird, an dem das natürliche Gleichgewicht in eine Katastrophe kippt, lässt sich nicht voraussagen, so Franz Essl. Doch die Coronavirus-Krise könnte und sollte der Ausgangspunkt sein, an dem die Politik beginnt, dagegen anzukämpfen – indem sie wirkungsvolle Maßnahmen für eine ökologisch und sozial nachhaltigere Wirtschaftsweise setze.