Grüne Schneealgen in Rothera Point.
Matt Davey
Matt Davey
Antarktis

„Ewiges Eis“ wird langsam grün

Wegen der steigenden Temperaturen breitet sich am Südpol ein Algenteppich aus, der das „ewige Eis“ grün werden lässt. Eine neue Studie zeigt, dass die Algenflächen trotz Schneeschmelze größer werden und eine wichtige Rolle als Kohlenstoffspeicher spielen.

Pinguine, Robben und ein paar Insekten sind die einzigen Lebewesen, die sich auf den Eisflächen der Antarktis wohlfühlen. Pflanzen gibt es in dem harschen Lebensraum praktisch keine. Mit einer Ausnahme: mikroskopisch kleine Algen, die in der Küstenregion der antarktischen Halbinsel auf der Eisoberfläche wachsen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Edinburgh sowie des British Antarctic Survey haben diese Algenausbreitung erstmals vermessen und eine Landkarte dieser wachsenden Grünflächen erstellt. Ihre Untersuchung, die soeben in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen ist, kommt zu dem Schluss, dass sich der „grüne Schnee“ in der Antarktis mit großer Wahrscheinlichkeit weiter ausbreiten wird.

Mit der Temperatur wachsen die Algen

Zwei Sommer lang hat das Team um die Studienleiter Matt Davey und Andrew Gray die Algenflächen aufgespürt und ihr Wachstum beobachtet. Obwohl es sich bei den Schneealgen um kleinste Pflanzen handelt, die nur unter dem Mikroskop zu sehen sind, könnten sie die weiße Antarktis in eine grüne Landschaft verwandeln, die sogar aus dem Weltall als solche erkennbar ist.

Andrew Gray vermisst einen Algenflor auf Anchorage Island.
Matt Davey
Andrew Gray vermisst eine Algenfläche auf Anchorage Island

Anhand von Daten des Forschungssatelliten Sentinel 2 der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA), die von 2017 bis 2019 gemacht wurden, und Bodenmessungen in der Ryder-Bucht auf Adelaide Island, der Fildes-Halbinsel und King George Island konnten die Wissenschaftler 1.679 unterschiedliche Algenflore identifizieren. „Insgesamt bedeckten die Algen eine Fläche von 190 Hektar Eis“, so Davey in einer Pressemitteilung.

Algen speichern Treibhausgase

Dabei handelt es sich um die „wärmeren“ Gebiete der Antarktis, wo die Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten, von November bis Februar, knapp über null Grad Celsius liegt. Die Halbinsel ist auch jene Region der Antarktis, die in den vergangenen Jahren den stärksten Temperaturanstieg zu verzeichnen hatte.

Die Algen sind nicht nur Folge des Klimawandels, sie leisten auch einen Beitrag zur Kohlendioxidspeicherung. „Schneealgen spielen eine Schlüsselrolle für den Kontinent, wenn es darum geht, Kohlendioxid aus der Atmosphäre durch Fotosynthese aufzunehmen“, erklärt Davey. Die Algenflächen entsprechen einer Kohlenstoffsenke von etwa 479 Tonnen pro Jahr. Diese Menge Treibhausgas wird im Durchschnitt von 875.000 Autofahrten im Vereinigten Königreich erzeugt, wie die Wissenschaftler errechnet haben.

Matt Davey sammelt Schneealgen auf Lagoon Island.
Sarah Vincent
Matt Davey sammelt Schneealgen auf Lagoon Island

Tierwelt sorgt für Dünger

Doch nicht nur die Temperatur beeinflusst die antarktische Flora, auch die Fauna dürfte hier eine Rolle spielen. Die Polarforscher konnten zeigen, dass Meeresvögel und dort lebende Säugetiere mit ihren Exkrementen ebenfalls das Wachstum der Schneealgen beeinflussen. Die Ausscheidungen wirken wie ein natürlicher, sehr nahrhafter Dünger und beschleunigen die Algenvermehrung.

Mehr als 60 Prozent der Algenflore befinden sich höchstens fünf Kilometer von Pinguinkolonien entfernt. Größere Algenflächen fanden die Wissenschaftler auch in der Nähe von Brutstätten anderer Vögel wie Raubmöwen und den Aufenthaltsorten von Robben. Derzeit befinden sich etwa zwei Drittel der Algenflore auf kleineren Inseln, die keine hohen Erhebungen haben. Doch genau diese sind am stärksten von der Schneeschmelze betroffen.

Ausbreitung trotz Schneeschmelze

Im antarktischen Sommer wurden heuer Höchsttemperaturen gemessen. Einige Inseln könnten zukünftig ihre Schneedecke in den Sommermonaten verlieren. „Wir gehen dennoch davon aus, dass die Gesamtmasse der Schneealgen in der Antarktis wachsen wird“, so Gray. Denn die Algenflore dehnen sich in höher gelegenen Gebiete der Antarktis aus, die noch nicht von der starken Schneeschmelze betroffen sind.

In ihrer nächsten Studie wollen die Wissenschaftler auch andere Algenarten untersuchen. Dazu gehören rote und orangefarbene Algenarten, die ebenfalls Kohlendioxid speichern und Sauerstoff an die Atmosphäre abgeben. Sie gehen davon aus, dass die Gesamtmenge des gespeicherten Kohlendioxids in der Antarktis deswegen noch sehr viel größer ist, als die Daten bis jetzt zeigen konnten.