Hummel knabbert an einem Blatt
Hannier Pulido, De Moraes and Mescher Laboratories
Hannier Pulido, De Moraes and Mescher Laboratories
Verhalten

Wie Hummeln zu Gärtnern werden

Hummeln sind nicht nur wichtige Bestäuber, sie können laut einer neuen Studie auch das Blütenwachstum von Pflanzen manipulieren: Die gärtnerischen Tricks der Insekten sind freilich nicht ganz uneigennützig.

Unter den 1,5 Millionen Tierarten, die von der Wissenschaft bisher beschrieben wurden, gehören die Hummeln ohne Zweifel zu den besser untersuchten. Die Zahl einschlägiger Studien geht in die Tausende (Google Scholar liefert etwa 47.000 Treffer zum Stichwort „bumblebee“) – und dennoch sind die zur Gruppe der Bienen gehörenden Tiere immer noch für eine Überraschung gut. Im Fachblatt „Science“ ist soeben eine Studie erschienen, die dem symbiontischen Verhältnis von Pflanze und Insekt nachgeht, genauer: dem Tauschgeschäft Pollen gegen Bestäubung.

Knabbern beschleunigt Blütenbildung

Timing ist bei diesem seit Millionen Jahren eingespielten Handel alles. Wenn die Blüte zu spät wächst oder der Bestäuber zu früh dran ist, haben beide nichts davon. Genau das droht allerdings durch den Klimawandel: Die Hummeln wachen aufgrund der höheren Temperaturen früher aus der Winterruhe auf, das Blütenwachstum der Pflanzen indes richtet sich vor allem nach der Tageslänge. Was tun die Hummeln also, wenn sie im Frühjahr zur Nahrungssuche ausschwärmen und Pflanzen ohne Blüten vorfinden? Sie werden gärtnerisch aktiv.

Wie Forscher um die Ökologin Consuelo De Moraes von der ETH Zürich beobachtet haben, knabbern hungrige Hummeln die Blätter ihrer Symbiosepartner an, woraufhin diese ihr Blütenwachstum einleiten. Der Senf-Kohl beginnt nach so einer Intervention zwei Wochen früher zu blühen, die Tomate ist sogar einen Monat früher dran. Soweit ist der Effekt durch Beobachtungen in der Natur wie auch durch Experimente belegt. Offen bleibt hingegen, wie die Hummeln das herausgefunden haben.

Großaufnahme: Hummel knabbert an einem Blatt
Hannier Pulido, De Moraes and Mescher Laboratories

Die einfachste Erklärung wäre, dass die Hummeln in ihrer Not Pflanzensäfte aus den Blättern saugen – und die Pflanze bloß indirekt zum Blütenwachstum animieren. Doch wie De Moraes in ihrer Studie schreibt, machen sich die Hummeln zu kurz an den Blättern zu schaffen, als dass sie dabei nennenswerte Mengen an Nahrung zu sich nehmen könnten. Bliebe noch die – spektakuläre – Möglichkeit, dass es sich um erlerntes Verhalten handelt. Lernfähig sind Hummeln bekanntermaßen und ihr räumliches Gedächtnis hält früheren Studien zufolge auch ein Leben lang. Vermögen sie mit ihren kleinen Gehirnen zwei Ereignisse zu verknüpfen, wenn zwischen Ursache und Wirkung mehrere Wochen liegen?

Erlerntes Verhalten?

Diese Frage können die Forscher und Forscherinnen (noch) nicht beantworten. Rätsel gibt ihnen auch die Rolle der Pflanzen auf, hier sind zumindest zwei Varianten denkbar: Vielleicht interpretieren Pflanzen die Blattverletzungen als das Werk von Pflanzenfressern und bringen angesichts dieser Bedrohung ihre Fortpflanzung möglichst schnell über die Bühne. Möglich wäre ebenso, dass sich das Verhalten der Hummeln längst als Teil der Symbiose etabliert hat und das Knabbern am Blatt von der Pflanze als Botschaft „verstanden“ wird, quasi: Sind schon da, bitte um rasche Pollenlieferung!

Die mechanische Verletzung allein dürfte jedenfalls nicht ausreichen, um das Blütenwachstum anzuregen. Consuelo De Moraes und ihr Team haben im Rahmen ihrer Versuche auch kleine Löcher in Blätter gebohrt und damit kaum Wirkung erzielt. Was den Schluss zulässt, dass beim Knabbern noch etwas anderes passiert. Geben die Hummeln hormonell wirksame Substanzen an die Pflanze ab? Das wäre die hohe Schule der Hortikultur, von deren Aufklärung nicht zuletzt die Landwirtschaft profitieren könnte.