Biene landet auf Lavendelstrauch
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Biodiversitäts-Krise

Was die EU tun kann

Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten gelten derzeit als vom Aussterben bedroht. Die EU-Staaten tragen daran eine große Mitverantwortung, betonen Forscher und Forscherinnen in einem neuen Diskussionspapier, in dem sie auch Verbesserungsvorschläge machen: etwa die Einpreisung von Umweltkosten, Schutzgebiete und eine Biodiversitätsallianz mit Afrika.

„Der fortschreitende Verlust der Biodiversität der Erde hat jetzt ein Ausmaß erreicht, das die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Existenzgrundlagen von Menschen und ihr Wohlergehen – regional in unterschiedlichem Ausmaß – gefährdet“, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Papier, das im Rahmen eines Diskussionsforums der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, erarbeitet wurde. Aus Österreich waren der Gewässerökologe und FWF-Präsident Klement Tockner und Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien beteiligt.

Hauptverursacher Landwirtschaft

Die Wissenschaftler machen die Landwirtschaft als wichtigste Ursache für die Biodiversitäts-Krise aus: Auf sie gehen 80 Prozent der weltweiten Entwaldung, 70 Prozent des globalen Süßwasserverbrauchs, 85 Prozent des globalen Stickstoff- und Phosphatverbrauchs mit seinen schädlichen Auswirkungen durch die Überdüngung und mindestens 23 Prozent der globalen Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen zurück. Zudem werden hauptsächlich durch die Landwirtschaft 300 bis 400 Millionen Tonnen an Pestiziden, Agrarchemikalien und sonstigen bioaktiven Chemikalien in die Umwelt eingebracht.

Dabei steht nicht unbedingt die Erzeugung lebensnotwendiger Grundnahrungsmittel im Vordergrund: In Europa würden rund 50 Prozent der Ackerflächen zum Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion und weitere 20 Prozent zur Herstellung von Biotreibstoffen und Biogas genutzt. Nur noch etwa 30 Prozent der Flächen werden für die Versorgung der Menschen mit pflanzlichen Grundnahrungsmitteln bestellt.

Landwirt düngt sein Feld
APA/dpa/Philipp Schulze

Tier- und Milchproduktion klimaschädlich wie Privat-Pkws

2018 wurde weltweit 36 Prozent der Getreideernte an Tiere verfüttert. Für die Erzeugung von Tierfleisch und Milch werden über 70 Prozent der globalen Landwirtschaftsflächen benötigt, diese liefern aber nur 18 Prozent der globalen Lebensmittelkalorien und sind zugleich auch ein bedeutender Klimatreiber: Rund 15 Prozent der klimaschädlichen globalen Treibhausgase stammen aus der Erzeugung von Tierprodukten. Am Beispiel Deutschlands wird das Ausmaß abschätzbar: Dort erzeugt die Tier- und Milchproduktion annähernd so viele klimaschädliche Treibhausgase wie der private Pkw-Sektor.

Die Staaten der Europäischen Union tragen den Wissenschaftlern zufolge eine große Mitverantwortung an der globalen Biodiversitätskrise. So liege der Anteil der EU-Länder an den globalen Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase bei fast zehn Prozent, sie nehmen über 600.000 Quadratkilometer Landflächen außerhalb Europas für die Einfuhr von Agrar- und Holzprodukten in Anspruch und tragen zur Überfischung, Überdüngung und Erwärmung der Meere bei.

Vorschläge: Klimakosten einpreisen und Schutzgebiete

Die Autoren und Autorinnen des Diskussionspapiers halten es für besonders vordringlich, die finanzielle Unterstützung der EU für die Landwirtschaft und Fischerei nach Gesichtspunkten des Klima- und Biodiversitätsschutzes neu auszurichten. Zudem schlagen sie vor, die Umwelt- und Klimakosten von biodiversitäts- und klimaschädigenden Produkten – insbesondere von Fleisch – angemessen einzupreisen. Der Biodiversitätsschutz soll in der EU und weltweit durch ein umfassendes Netz von angepassten Schutzgebieten sichergestellt und gefördert werden, das 30 bis 50 Prozent der Land- und 40 Prozent der Meeresfläche abdeckt.

Für die Experten erfordert der weltweite ökologische Fußabdruck der EU die Übernahme einer globalen Mitverantwortung zum Schutz von Biodiversität und Klima. Dafür schlagen sie die Gründung einer Naturallianz für Afrika vor, durch die das vier Millionen Quadratkilometer umfassende System bestehender Schutzgebiete in Afrika mit jährlich vier Mrd. Euro unterstützt wird.

Weiters fordern sie einen Aktionsplan der Weltgemeinschaft ein, durch den der Schutz von rund zwölf Millionen Quadratkilometern der letzten noch unberührten Urwälder der Erde mit rund 3,5 Mrd. Euro jährlich gefördert wird. Und schließlich sollte die politische und finanzielle Verantwortung zur Aufforstung von weltweit 3,5 Millionen Quadratkilometer Wald bis 2030 als ein wichtiger Beitrag zum Weltklimaschutz und einer nachhaltigen Holznutzung übernommen werden.