Autostau
APA/dpa/Sina Schuldt
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Coronavirus

Luftverschmutzung nimmt wieder zu

Seit der Lockerung der Coronavirus-Maßnahmen Anfang Mai sind wieder mehr Menschen unterwegs. Das wirkt sich bereits auf die Luftqualität in Österreich aus. Dabei ist saubere Luft für Menschen mit Lungenerkrankungen überaus wichtig – wie erste Studien auch zu Covid-19 zeigen.

Der Verkehr in den Städten sowie auf den Schnellstraßen und Autobahnen wird wieder dichter. Es ist aber noch nicht wieder alles beim Alten, wie die Daten des Umweltbundesamts zeigen. Bemerkbar macht sich das bei den Schadstoffen in der Luft, allen voran bei den Stickstoffdioxiden, die hauptsächlich durch Kraftfahrzeuge und Verbrennungsanlagen entstehen.

„In Summe finden wir nach dem Lock-down jetzt wieder eine Zunahme in der Verkehrsleistung, und damit steigen die Schadstoffemissionen wieder an. Wir sehen aber nach wie vor bei den Stickoxiden eine Reduktion um 20 bis 30 Prozent gegenüber der Vorjahresbelastung“, erklärt Günther Lichtblau, Leiter der Abteilung Klima am Umweltbundesamt. Der Trend zeigt allerdings deutlich aufwärts. Zum Vergleich: Im März und April waren noch um 30 bis 50 Prozent weniger Stickoxide in der Luft als normalerweise zu dieser Zeit.

Feinstaub: Leichte Veränderungen

Etwas anders verhält es sich mit der Feinstaubbelastung. Zwar ist die Quelle von Feinstaub ebenfalls der Verkehr, es gibt aber noch viele andere Faktoren, die den Schadstoffgehalt beeinflussen. Dazu zählt Wüstenstaub aus der Sahara genauso wie Regen, Baustellen und die Landwirtschaft. „Wir sehen zwar auch hier, dass die Belastung während der Zeit des Lock-downs gesunken ist. Die Tiefstwerte haben wir aber jetzt erst erreicht. Das liegt hauptsächlich an der Wetterlage, denn feuchtes und regnerisches Wetter, lassen die Feinstaubwerte schnell sinken. Wir müssen also erst noch die tatsächlichen Feinstaubquellen genau analysieren, um ein klares Bild zu bekommen.“

Fest steht aber: Werden keine Maßnahmen gesetzt, wird die Luftqualität schnell wieder die übliche Güte erreichen, und die bewegt sich meist im Bereich der Grenzwerte, die europaweit zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt wurden.

Das sollte vermieden werden, erklärt Lichtblau. „Es wäre jetzt ganz entscheidend, Maßnahmen umzusetzen, die dafür sorgen, dass der Straßenverkehr nicht wieder ganz auf das Vorkrisenniveau hochgeht. Es muss der Umweltverbund gefördert werden, also Radverkehr sowie öffentlicher Verkehr. Dann kann es uns gelingen, die positiven Effekte in der Luftqualität in der Post-Coronazeit mitzunehmen.“

Reine Luft wichtige für vorbelastete Menschen

Das sei nicht zuletzt auch für Menschen mit Lungenerkrankungen relevant, so Lichtblau. Denn das Reizgas Stickstoffdioxid sowie Feinstoffpartikel belasten vor allem die Atemwege. Feinstaub schadet darüber hinaus auch dem Herz-Kreislaufsystem. Insbesondere kleinste Teilchen (PM 2.5) können in Blutgefäße gelangen und diese verkalken. Damit schädigen kleine Feinstaubpartikel Blutgefäße auf eine ähnliche Weise wie Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes.

„Insofern ist diese Entlastung derzeit besonders wichtig für Personen, die vorbelastet sind. Dazu zählen natürlich auch COVID-19-Erkrankte“, so Lichtblau. Dass die Luftverschmutzung bei COVID-19-Patienten eine Rolle spielen könnte, ist naheliegend. Auch im Rahmen der ersten SARS-Pandemie im Jahr 2003 konnten Forscher zeigen, dass Menschen in Regionen mit sehr schlechter Luft ein doppelt so hohes Risiko hatten, an den Folgen der Lungenerkrankung zu sterben, als jene, die in Gegenden mit sauberer Luft lebten. Auch bei leichter Luftverschmutzung war das Risiko noch um 84 Prozent erhöht.

Besucher eines Autokinos in Litauen
AFP – PETRAS MALUKAS
Die Coronavirus-Zeit hat auch zu einer kleinen Renaissance von Autokinos geführt

Luftverschmutzung: COVID-19 tödlicher?

Tatsächlich deuten auch erste Studien im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie darauf hin, dass dauerhaft schlechte Luft das Sterberisiko statistisch erhöht. Teilweise sind diese Analysen aber noch nicht wissenschaftlich begutachtet und in Fachjournalen veröffentlicht. So beispielsweise eine Studie der Harvard Universität. Hier haben Forscher Daten zu gut 3.000 Bezirken in den USA analysiert und verglichen. Demnach hätten schon kleinste Veränderungen einen Unterschied gemacht: Wäre die durchschnittliche Feinstaubbelastung (PM 2.5) in Manhattan beispielsweise in den vergangenen 20 Jahren um nur ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft niedriger gewesen, hätte es bis zum 22. April 248 COVID-19-Tote weniger gegeben, heißt es etwa in einer Aussendung der Harvard Universität.

Zuletzt wurde die vorveröffentlichten Ergebnisse kritisiert, wie etwa vom Statistiker und Epidemiologen Paul Villeneuve sowie vom Epidemiologen Mark Goldberg auf der Plattform „The Conversation“. Ihnen zufolge ist die Studie verkürzt gesagt zu wenig differenziert. So werden beispielsweise andere Faktoren wie die Größe und Bevölkerungsdichte der jeweiligen Bezirke zu wenig berücksichtigt, ebensowenig wie die teilweise sehr unterschiedlich strengen politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie. Weiters merken die Forscher an, dass es keine einheitliche Methode gibt, nach der Todesfälle dem neuartigen Coronavirus zugeschrieben werden oder nicht. Das könnte das Resultat ebenfalls verzerren.

Weitere Studien notwendig

Eine Studie von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die im Fachjournal „Science of the Total Environment“ veröffentlicht wurde, zeigt aus der Vogelperspektive einen ähnlichen Zusammenhang zwischen den bisher bestätigten Todesfällen und Regionen mit dauerhaft hoher Schadstoffbelastung in Europa. So sind in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien 78 Prozent der COVID-19-Todesfälle auf fünf Regionen in Norditalien und Zentralspanien zurückzuführen. Jene Regionen, in denen die Belastung durch Stickstoffdioxide seit Jahren am höchsten ist, so das Ergebnis der Studie.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch Analysen in London sowie in Städten Chinas – beide noch nicht begutachtet. Solche Statistiken sind allerdings nur so gut, so fundiert und vergleichbar die Daten sind. Und hier gibt es, wie auch Paul Villeneuve und Mark Goldberg bei ihrer Kritik an der Harvard-Studie anmerken, noch erhebliche Lücken und Unterschiede, die die Ergebnisse verzerren.

Die Autoren gehen sogar noch einen Schritt weiter. Ihnen zufolge ist das Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren wie Maßnahmen, Bevölkerungsdichte und Gesundheitsversorgung in der aktuellen Krise zu komplex für reine Beobachtungsstudien. Klarheit könnten demnach nur individualisierte Daten bringen. „Ideal wäre eine Kohortenstudie, in der COVID-19-Patienten lange Zeit beobachtet und begleitet werden. Man vergleicht dann verstorbene Patienten mit Genesenen“, schreiben die Epidemiologen.

In jedem Fall braucht es noch weitere Studien, um zu sehen, welche Rolle Feinstaub und Stickoxide bei COVID-19 tatsächlich spielen und wie sie den Krankheitsverlauf beeinflussen können.