Sonne am Himmel, ausgetrockneter Baum
APA/HARALD SCHNEIDER
APA/HARALD SCHNEIDER
Klimaerwärmung

Vorjahr und Beginn 2020 ungewöhnlich warm

Die Klimaerwärmung hat in Österreich im Vorjahr zu extremen Wettersituationen geführt: Laut dem heute erschienenen „Klimastatusbericht 2019“ war es ungewöhnlich warm, in einigen Regionen gab es zu viele, in anderen zu geringe Niederschläge. Auch heuer stehen die Zeichen vielerorts auf Extremwetter.

Die Regenfälle der vergangenen Tage sind vor allem im Nordosten Österreichs die ersten nennenswerten Niederschläge seit vielen Wochen. Die warmen Temperaturen von Mitte Jänner bis in den April hinein haben Pflanzen extrem früh sprießen lassen. Das verringerte den Wassergehalt des Bodens vor allem in Niederösterreich und dem Nordburgenland noch zusätzlich, wo bis Mitte Mai oft nur rund 30 Prozent der üblichen Regenmenge fielen.

Insgesamt präsentiert sich 2020 bisher im bundesweiten Schnitt rund zwei Grad wärmer als die langjährige mittlere Temperatur, erklärte der Klimaforscher Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur in Wien bei der Präsentation des “Klimastatusberichts 2019“.

2,7 Grad plus im Tullnerfeld

Der Blick ins vergangene Jahr durch eine Vielzahl an Klimaforscherinnen und -forschern offenbart ein ähnliches Bild: 2019 war das drittwärmste Jahr der Messgeschichte – und die reicht über 250 Jahre zurück. Die Durchschnittstemperatur lag 2,3 Grad Celsius über jener der Jahre 1961 bis 1990. Insgesamt gab es in Österreich in den vergangenen Jahren einen „markanten Anstieg“ der Temperaturen, der im Gegensatz zu den Erwärmungen etwa in den 1990er Jahren vielfach schon deutlich spürbare Auswirkungen mit sich bringt, so Formayer.

Am krassesten war dies im vergangenen Jahr südlich der Donau zwischen Ybbs und dem Tullnerfeld (NÖ) zu spüren, wo die Temperaturen im Mittel 2,7 Grad Celsius über dem Vergleichszeitraum lagen. Am wenigsten zugelegt hat der Jahresdurchschnitt in den Alpen Tirols südlich des Inns mit einem Plus von „nur“ 1,25 Grad Celsius.

Österreichkarte mit Temperaturabweichungen 2019 zum langjährigen Schnitt
Grafik: APA, Quelle: ZAMG

Lang anhaltende Großwetterlagen

Insgesamt war 2019 durch einige markante Extremwetterereignisse geprägt. So war etwa der Juni mit einem Temperatur-Plus von 5,5 Grad Celsius im Vergleich zum langjährigen Mittelwert der wärmste seit Messbeginn. Die Anzahl der Hitzetage und Tropennächte lag weit über den Vergleichswerten. Die Extreme des vergangenen Jahres erscheinen mit Hitze, großen Schneemengen, Trockenheit und Starkregen zwar sehr unterschiedlich, haben aber laut Formayer einen gemeinsamen Nenner.

Verursacht werden sie größtenteils durch ungewöhnlich lange anhaltende Großwetterlagen. Auf dieses Phänomen, das zunimmt, weil im Zuge des Klimawandels die Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den Subtropen abnehmen, gehen die Forscherinnen und Forscher vom Climate Change Centre Austria (CCCA) in ihrem vom Klima- und Energiefonds beauftragten Bericht auch ein. An dem für Gesamt-Österreich, sowie für alle Bundesländer extra vorliegenden Papier haben auch Experten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) federführend mitgearbeitet.

Zu viel Regen da, zu wenig dort

Demnach steckten im Vorjahr beispielsweise auch im Jänner, dem kühlsten Mai seit 28 Jahren und im November größere Wettersysteme ungewöhnlich lange fest und brachten vielen Regionen übergroße Niederschlagsmengen, mit entsprechenden Schäden vor allem im Alpenraum. Im November fiel etwa im Kärntner Lavanttal in nur wenigen Tagen so viel Regen wie in Wien im üblichen Jahresschnitt.

Dahingegen präsentierten sich 2019 und der Beginn dieses Jahres in vielen wichtigen Ackerbauregionen des Landes niederschlagsmäßig ziemlich defizitär. In einigen Regionen in Niederösterreich oder im Burgenland sei schon jetzt „extrem starker Trockenstress“ bemerkbar, sagte Formayer. Die aktuellen Niederschläge mit dem „normalen“ Mai könnten das nicht wettmachen. Es bräuchte schon einen Monat mit deutlich größeren Regenmengen, die über mehrere Tage verteilt fallen müssten, damit tiefere Bodenschichten Feuchte aufbauen können.

Ein Bauer beim Pflügen seines trockenen Feldes Mitte April bei Oslip im Burgenland.
APA/ROBERT JAEGER
Ein Bauer beim Pflügen seines trockenen Feldes Mitte April bei Oslip im Burgenland

“Klimawandel hat Österreich fest im Griff "

Nach nun fünf sehr heißen Sommern in Folge sei vielerorts mittlerweile angekommen, dass „der Klimawandel Österreich fest im Griff hat“, sagte Klima- und Energiefonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth. Musste man früher eher „Bewusstseinsarbeit“ leisten, gehe es nun vielfach auf regionaler Ebene an die „Umsetzungsarbeit“ zur Anpassung an die Veränderungen.

Wenn etwa die Landwirtschaft im Weinviertel ohne Bewässerung kaum mehr reüssieren könne oder der Pegel des Neusiedlersee wie aktuell auf Tiefstände absinkt, sei den meisten klar, dass „Wasser wertvoll ist“, so Formayer. Die paradoxerweise gleichzeitig verstärkt drohenden Starkregenereignisse machen auch deutlich, dass etwa Abfließsysteme – von der Dimensionierung der Hausdachrinne bis zum großflächigen Hochwasserschutz wie der Wiener Donauinsel – möglicherweise angepasst werden müssen. Auf die historische Erfahrung könne man vielfach nicht mehr bauen, „diese Bedingungen hat es so noch nicht gegeben“, so der Forscher.

Hoffen auf ökologische Steuerreform

Angesichts der Herausforderungen seien die im Budget geplanten zusätzlichen 160 Millionen Euro zusätzlich für Klimaschutz natürlich erstmal „zu wenig“. In der Coronavirus-Krise und den budgetären Verwerfungen dadurch sei dies aber natürlich eine Frage der Abwägung, der „‚Green Deal‘ sollte aber nicht vergessen werden“, sagte Formayer.

Einen „großen Wurf im Budget“ kann auch Höbarth Coronavirus-geschuldet nicht ausmachen. Die Krise biete aber die Chance, die Wirtschaft viel stärker hin zum Klimaschutz weiterzuentwickeln als dies vielleicht ohne die Coronavirus-Pandemie der Fall gewesen wäre, so Formayer und Höbarth: „Das Wesentliche wird sein, dass die ökologische Steuerreform 2021 dann gelingt.“

Sehe man sich die Klimaentwicklung im Alpenraum insgesamt an, könne man davon ausgehen, dass sich der weltweite mittlere Temperaturanstieg hier um das 1,25- bis 1,5-Fache verstärkt. Ein weiterer globaler Anstieg um 0,5 Grad erhöhe sich also hierzulande eher auf ein Plus von 0,7 Grad, erklärte Formayer. Hier werde umso klarer: „Wenn wir nichts tun, dann sind wir wirklich bald in einer ganz anderen Welt.“