Ein schlauer Kakadu beim Basteln
Bene Croy
Bene Croy
Kognitionsforschung

Wild oder zahm: Kakadus sind innovativ

Kakadus gehören zu den intelligentesten Vögeln. Und das gilt nicht nur für jene Exemplare, die von Menschen aufgezogen wurden. Die Artgenossen aus freier Wildbahn sind im Labor überraschenderweise genauso innovativ, wie eine neue Studie aus Österreich zeigt.

Die Goffinkakadus der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben ihren Erfindungsreichtum schon einige Male unter Beweis gestellt: Wenn es um Futter geht, öffnen sie die richtigen Klappen, finden den Schlüssel, der ins Schloss passt, oder fertigen sogar kleine Werkzeuge aus Karton, um an die Belohnung zu kommen.

Bis jetzt ging man davon aus, dass die Tiere auch wegen ihrer Nähe zum Menschen und Lebensbedingungen in menschlicher Obhut so geschickt in der Problemlösung waren. Doch eine neue Studie des Goffin Labs widerlegt diese Annahme: Die wilden Artgenossen sind genauso innovationsfreudig wie die in Gefangenschaft gehaltenen Tiere, die Wildvögel zeigen schlicht weniger Interesse an den menschengemachten Experimenten.

Ein Goffinkakadu bearbeitet ein Puzzle-Box in Tanimbar, Indonesien
Berenika Mioduszewska
Ein Goffinkakadu bearbeitet ein Puzzle-Box in Tanimbar, Indonesien

Wettkampf in der „Innovationsarena“

Für die Studie, die in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ erschienen ist, bauten die Kognitionsforscherinnen eine „Innovationsarena“ auf: eine halbkreisförmig Arena, die aus 20 verschiedenen Plexiglasboxen besteht, in denen unterschiedliche Aufgaben gelöst werden müssen, um an schmackhafte Belohnungen zu kommen. In diesen Puzzle-Boxen müssen die Kakadus beispielsweise eine Drehscheibe so lange mit dem Schnabel zu ziehen, bis das Futter in Reichweite kommt, ein Mühlrad drehen oder diverse kleine Laden öffnen, um den Snack zu erwischen. Wie geschickt die Tiere diese Aufgaben lösten, ist in einem Video des Goffin Labs der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu sehen.

Die Kognitionsforscherinnen ließen zwei Teams gegeneinander antreten, berichtet Theresa Rößler, eine der beiden Erstautorinnen. Das eine Team war jenes von der Vetmed, elf Vögel, um die acht Jahre alt, die handaufgezogen sind und mit Menschen leben. Das andere Team waren acht Wildvögel von den Tanimbar-Inseln, einer Gruppe von Inseln Indonesiens, auf denen diese Papageienart endemisch ist. Die Goffinkakadus wurden für das Experiment an Ort und Stelle eingefangen und im Anschluss wieder in die Natur entlassen.

Kopf an Kopf beim Problemlösen

Jedem Kandidaten stand eine gewisse Zeit zur Verfügung, um so viele Aufgaben wie möglich zu lösen und damit möglichst viele Belohnungen zu ergattern, bevor das Tier die Arena wieder verlassen musste. In der nächsten Runde wurden die 20 Boxen neu angeordnet und das Problemlösen begann aufs Neue. Das wurde so lange fortgesetzt, bis die Kakadus entweder alle Aufgaben gelöst hatten oder keine neuen Lösungen mehr fanden. So ermittelten Rößler und ihr Team die Innovationsrate, also wie viele Lösungen pro Zeiteinheit gefunden wurden.

Boxen in der innovationsarena
Goffin Lab, Messerli Forschungsinstitut
Die Puzzle-Boxen in der Innovationsarena

Die Experimente zeigten, dass sich die Teams in Bezug auf die Innovationsrate kaum unterschieden. Sowohl wilde Vögel wie Labortiere lösten die Aufgaben in gleicher Zeit. Mit einer Ausnahme: Bei der „Knopf-Aufgabe“ übertrafen die in Gefangenschaft gehaltenen Vögel die Wildtiere. Dabei müssen die Kakadus einen Bolzen stumpf drücken, um die Belohnung von einer Plattform zu stoßen. „Wir gehen davon aus, dass die Labortiere hier Erfahrungen aus früheren Experimenten nutzen konnten“, so Rößler.

Innovativ, aber nicht motiviert

Um einen möglichen Haltungseffekt zu untersuchen, sei es deswegen wichtig, den Vögeln viele unterschiedliche Aufgaben zu stellen, erklärt die Kognitionsforscherin weiter. Den Vögeln nur eine einzige Aufgabe zu stellen und ihr Verhalten zu vergleichen, könnte zu falschen Ergebnisse führen. Bei anderen Tieren, wie Primaten, konnten Forschende einen solchen Haltungseffekt feststellen. Weil Tiere im Labor viel weniger Zeit für die Futtersuche aufbringen müssen, haben sie mehr kognitive Kapazitäten, um technische Fertigkeiten zur Problemlösung zu entwickeln, so die Theorie. Bei den Goffinkakadus konnte kein solcher Haltungseffekt beobachtet werden.

Einen entscheidenden Unterschied konnten die Forscherinnen allerdings feststellen: Die Wildvögel waren weniger motiviert, überhaupt an dem Experiment teilzunehmen und die „Innovationsarena“ zu betreten. „Wenn die Tiere wollen, wenn sie Interesse zeigen, dann lösen die freilebenden Tiere die Probleme genauso gut, wie die aus der Voliere“, sagt Rößler. Doch das sei bei den Wildtieren eben seltener der Fall. Demnächst wollen die Wissenschaftlerinnen schauen, wie sich andere Tierarten in der Innovationsarena schlagen, etwa andere Papageienarten, Primaten oder auch Kleinkinder.