Biene landet auf Lavendelstrauch
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Alpen

Schadstoffe auch auf entlegenen Bergwiesen

Die Zahl der Insekten hat in den letzten Jahren stark abgenommen. Verantwortlich dafür sind u. a. Schadstoffe in der Luft. Wie Forscherinnen und Forscher nun berichten, sind solche Schadstoffe mittlerweile auch in entlegenen Bergwiesen der heimischen Alpen verbreitet – darunter Flammschutzmittel aus Kunststoffen und Quecksilber.

In welchem Ausmaß der alpine Raum und insbesondere die dort lebenden Insekten von Chemikalien aller Art beeinflusst werden, untersucht das EU-Projekt „protectAlps“. In seinem Rahmen wurden am Sonnblick Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nun über hundert potenziell problematische Stoffe in der Luft und im Niederschlag nachgewiesen. Dies zwar in äußerst niedrigen Konzentrationen – aber trotzdem ausreichend, um sich in Lebewesen anzureichern, wie die ZAMG berichtet.

Auswirkungen noch unklar

Das vielerorts beobachtete Insektensterben hat mit der Intensivierung der Landwirtschaft und dem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zu tun. Es wird aber auch abseits landwirtschaftlich genutzter Flächen beobachtet. Ein möglicher Grund dafür sind weltweit verbreitete Schadstoffe, insbesondere schwer abbaubare, chemische Stoffe.

Im Rahmen von „protectAlps" untersuchen Forscherinnen und Forscher aus Österreich und Bayern Insekten im Bereich des Sonnblick Observatoriums in den Hohen Tauern und an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) an der Zugspitze.

Anfangs wurde festgelegt, welche Insektenarten sich eignen: Es müssen demnach ausreichend Insekten vorhanden sein und die Entnahme darf deren Population nicht beeinflussen. Hummeln, Ameisen und Totengräber-Käfer erfüllen diese Bedingungen und werden deshalb im Projekt auf ihren Gehalt an schwer abbaubaren Chemikalien untersucht.

Eine Forscherin sammelt unterhalb des Sonnblick Observatoriums Insekten für die chemische Spurensuche
LfU/Korbinian Freier
Eine Forscherin sammelt unterhalb des Sonnblick Observatoriums Insekten für die chemische Spurensuche

Erste Untersuchungen zeigten zum Beispiel Spuren von Flammschutzmittel aus Kunststoffen in den Insekten. Ebenso lässt sich in jeder Probe Quecksilber nachweisen. Noch liegen zu wenige Daten vor, um zu beurteilen ob und wie die Chemikalien auf die Insekten und die Ökosysteme wirken.

Zur Klärung dieser Fragen vermessen die Forscherinnen und Forscher auch die Körperstrukturen der Insekten. So lassen sich Wachstumsschäden feststellen, da beispielsweise keimschädigende Chemikalien Deformationen an Flügeln bewirken können, hieß es. Ausführliche Ergebnisse sollen am Ende des Projekts im Februar 2021 vorliegen.

Auch Stickstoff wird untersucht

Ein weiterer Faktor, der selbst über große Entfernung auf Insekten in Schutzgebieten wirkt, ist der atmosphärische Eintrag von reaktivem Stickstoff, wie er in Ammoniak oder Stickoxiden enthalten ist. Sie entstehen bei der Verbrennung fossiler Energieträger im Verkehr und in Industrieanlagen.

Stickstoff wirkt als Dünger und führt zu einer Veränderung der Pflanzengesellschaften. Dadurch verlieren viele Insekten ihre Wirtspflanzen. Deshalb werden an den beiden genannten Stationen zudem verschiedene Messverfahren zum Nachweis von reaktiven Stickstoffarten in der Luft verglichen. Damit sollen, ähnlich der CO2-Konzentrationsmessungen beim Klimawandel, langfristige Aussagen zu Änderungen der Stickstoffeinträge ermöglicht werden.

Partner in dem Projekt „protectAlps“ sind das Bayerische Landesamt für Umwelt, die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, der Lehrstuhl Molekulare Ökologie der Universität Innsbruck und das Sonnblick Observatorium der ZAMG.