Eine Frau bläst Rauch aus einer E-Zigarette aus
AFP – GUILLEM SARTORIO
AFP – GUILLEM SARTORIO
E-Zigaretten

Nahrung für feindliche Bakterien

Vor den Gesundheitsrisiken von E-Zigaretten warnen Mediziner immer wieder. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass der Rauch solcher E-Zigaretten die Bakterien im Mund relativ schnell negativ verändern kann – wodurch das Risiko für Zahnfleischerkrankungen bis hin zu Mundkrebs steigt.

Mit dem Rauchen aufhören dank E-Zigaretten? Wie Studien zeigen, kann das durchaus gelingen, und zum Teil effektiver als mit Nikotinpflastern, so etwa das Ergebnis einer britischen Studie aus dem Vorjahr. Auch die Zahnmedizinerin Purnima Kumar von der Ohio State University hat ihren Patienten früher E-Zigaretten empfohlen, wenn sie mit dem Rauchen aufhören wollten. „Ich habe aber schnell festgestellt, dass es keine Untersuchungen dazu gab, was der Dampf im Mund eigentlich bewirkt. Ohne das zu wissen, können wir solche Empfehlungen nicht aussprechen. Unser Ziel war es also, diese Wissenslücke zu schließen", so Kumar gegenüber science.ORF.at.

Dafür untersuchten die Forscherin und ihr Team insgesamt 123 gesunde Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren. Manche „dampften“ seit drei Monaten, andere rauchten bereits ein Jahr lang E-Zigaretten. Die einen waren ehemalige Raucher, die umgestiegen sind, andere waren davor Nichtraucher und eine dritte Gruppe konsumierte beides abwechselnd.

Ähnlich wie Parodontose-Patienten

Die Ergebnisse, die nun im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht wurden, zeigen bei allen ein ähnliches Bild. Auch wenn die Raucher der elektronischen Dampfzigaretten keine erkennbaren Zahnfleischkrankheiten hatten, erinnerten die Bakterien in ihren Mündern an Parodontose – eine bakterielle Erkrankung, bei der sich das Zahnfleisch zurückzieht und die Zähne ausfallen können. Die Ähnlichkeit betrifft die Art der Bakterien, die Gene, die sie aktivieren, und die Reaktion des Immunsystems auf diese Mikroorganismen.

„Sie haben nicht nur falsche, schädliche Bakterien in ihrem Mund, diese Keime vermehren sich auch, wodurch das bakterielle Gleichgewicht gestört wird. Aus einer freundlichen Bakteriengemeinschaft entsteht eine feindliche Bakterienkolonie“, erklärt die Medizinerin. Wie bei Parodontose brauchen diese schädlichen Bakterien keinen Sauerstoff, um zu überleben, sondern sie beginnen Dinge zu fermentieren. Das kann im Mund und unterm Zahnfleisch starke Entzündungen auslösen. Diese sah man bei den Teilnehmern zwar noch nicht, auf molekularer Ebene waren aber bereits deutliche Entzündungssignale erkennbar.

Forschungsvideo: So verändern E-Zigaretten die Bakterien

Beim Konsum von E-Zigaretten kommt noch hinzu, dass sich die Bakterien in eine dicke Schleimschicht hüllen, was die Entzündungsreaktion des Körpers verstärkt. Diese bakterielle Schleimschicht lockt weiter krankmachende Bakterien an. „Das ist eine neue Erkenntnis. Wir haben einen solchen Schleim noch nie gesehen – nicht beim Rauchen und auch nicht als Reaktion auf Antibiotika oder andere Umwelteinflüsse", so Kumar.

Veränderungen nach wenigen Monaten

Selbst bei jenen, die erst seit vier Monaten E-Zigaretten konsumierten und zuvor Nichtraucher waren, war die Veränderung deutlich zu erkennen, und zwar unabhängig davon, ob die E-Zigaretten Nikotin enthielten oder nicht. Je länger die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dampften, desto mehr verschlechterte sich das Bakterienmilieu.

Nicht viel anders war das Bild bei jenen, die rauchten und dampften. Auch ihr Bakterien- und Entzündungsprofil entsprach vor allem dem eines „Dampfers“. „Natürlich erzeugt auch Rauchen Stress für die Bakterien im Mund. Es werden aber jeweils andere Bakterien und Gene in die bestehende Bakteriengemeinschaft gebracht, was auch die entzündliche Reaktion verändert“, so Kumar. Dampfzigaretten scheinen die Bakterien auch wesentlich schneller zu verändern. Während die Raucher in der Kontrollgruppe bereits fünf Jahre lang Zigaretten konsumierten, pafften die E-Zigarettenraucher erst zwölf Monate oder kürzer. Beide Gruppen hatten aber ähnlich hohe Entzündungswerte.

Dass der Einfluss der Dampfstängel so dominant ist, führen die Forscherinnen hauptsächlich auf die Inhaltsstoffe in den E-Liquids zurück. „Die Kohlenstoffmoleküle Glyzerin und Glykol sind pure Nahrung für schädliche Bakterien“, so die Medizinerin. Weitere Studien sollen klären, ob die Bakterien Erkrankungen wie Parodontose bis hin zu Mundkrebs auslösen können bzw. ob sie auch die Wundheilung im Mund beeinflussen.