Junge Frau in Liberia telefoniert
AFP/ISSOUF SANOGO
AFP/ISSOUF SANOGO
Studie

Gleichberechtigung steigt durch Mobiltelefone

Handys haben das Leben stark verändert, für viele Menschen zum Besseren – insbesondere für Frauen, wie eine neue Studie zeigt. Wissen wurde zugänglich. Dadurch sei die Gleichberechtigung gestiegen, die Kinder- und Müttersterblichkeit gesunken. Profitiert haben unter anderem die ärmsten Regionen Afrikas.

Sie sind klein, tragbar und relativ günstig. Dank mobiler Telefone, die heute weitaus mehr können als telefonieren, hat die Digitalisierung mittlerweile Weltgegenden erreicht, wo man sich moderne Technologien früher nicht leisten konnte und die Infrastruktur fehlte. So haben viele Menschen in ländlichen Regionen Afrikas oder im südlichen Asien niemals einen Computer besessen, Telefonleitungen waren knapp, Radios oder Fernsehgeräte mussten sie sich mit anderen teilen. Moderne Smartphones sind nun alles in einem. Diesen beschleunigten Fortschritt nennt man in der Wirtschaft „Leapfrogging“.

Laut den Forscherinnen und Forschern um Valentina Rotondi von der University of Oxford wurde damit vielerorts auch ein gesellschaftlicher „Bocksprung“ vollzogen: wirtschaftlich, gesundheitlich und sozial. Entscheidend sei der Zugang zu Informationen. Die mobilen Geräte könnten eine wesentlicher Motor auf dem Weg zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sein.

Privater Zugang zu Informationen

Die Mobiltelefone hätten beispielsweise die Gesundheitsversorgung deutlich verbessert. Besonders Frauen in abgehängten Regionen würden davon profitieren: Viele haben bis vor Kurzem ohne jede Untersuchung mehrere Kinder bekommen, von Verhütungsmitteln keine Ahnung gehabt oder nicht gewusst, wo man einen HIV-Test machen kann. Auch am Arbeitsmarkt, bei der Ausbildung und beim Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln sind die mobilen Geräte ein Vorteil, schreiben die Sozialwissenschaftlerin und ihr Team in der soeben in den „PNAS“ erschienenen Studie.

Die Stärkung von Frauenrechten, etwa was ihre Sexualität und Fortpflanzung betrifft, sei ein ganz wesentlicher Baustein für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft. Im Vergleich zu anderen Informationskampagnen, etwa über das Fernsehen, hätten die Smartphones einen ganz wesentlichen Vorteil: Man kann sie privat nutzen und nicht in der Gruppe. Das sei entscheidend in Ländern, in denen soziale Normen sehr restriktiv sind.

Weltweite Veränderung

Rotondi und ihr Team haben nun systematisch untersucht, wie sich Gesellschaften mit der Verbreitung von Mobiltelefonen verändert haben. Dafür verwendeten sie Daten von 1993 bis 2017 aus 209 Ländern, von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), der Weltbank und der UNO. Gemessen wurden die gesellschaftlichen Entwicklungen anhand des „Gender Inequality Index (GII), der Verwendung von Verhütungsmitteln, der Müttersterblichkeit und der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren.

Eine Gruppe von Frauen und Mädchen in Lagos (Nigeria) macht ein Selfie
AFP/PIUS UTOMI EKPEI
Eine Gruppe von Frauen und Mädchen in Lagos (Nigeria) macht ein Selfie

Laut den Forscherinnen und Forschern hat sich die zunehmende Verwendung von Mobiltelefonen in allen untersuchten Bereichen positiv ausgewirkt: Insgesamt und in den einzelnen Ländern hat dadurch die Gleichberechtigung zugenommen, es wurde mehr verhütet und es sind immer weniger Mütter und Kinder gestorben. Am stärksten war der Zusammenhang in den allerärmsten Ländern (gemessen am Bruttoinlandsprodukt).

Besonders in armen Regionen

Ob es sich tatsächlich um einen kausalen Zusammenhang handelt, wurde für den zweiten Teil der Studie auf regionaler Ebene untersucht. Verwendet wurden Daten von mehr als 110.000 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren aus den „Demographic and Health Surveys“ (DHS). Dabei hat man sich auf Subsahara-Afrika konzentriert, wo viele der ärmsten Länder liegen. Laut den Autorinnen sind die Unterschiede in der Verbreitung von Mobiltelefonen nirgendwo so groß wie in diesem Teil des Kontinents. Deswegen lassen sich die gesellschaftlichen Auswirkungen besonders gut untersuchen.

Die Befragungen wurden zwischen 2015 und 2016 durchgeführt und ließen sich geografisch zuordnen. Das Ganze wurde noch durch eine Reihe anderer Daten ergänzt, um möglichst viele Einflussfaktoren zu erfassen, auch abseits von individuellen und soziodemografischen Angaben. Beispielsweise wurde die nächtliche Beleuchtung als Gradmesser für den Entwicklungsstand eines Landes herangezogen.

Stärkung der Rechte

Wie die Auswertung zeigte, hatten Frauen mit Mobiltelefon einen klaren Vorteil gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen ohne Handy. Sie waren beispielsweise öfter in Entscheidungen im Haushalt eingebunden, nahmen häufiger Verhütungsmittel und wussten, wo man sich auf HIV testen lassen kann. Außerdem waren Regionen, wo besonders viele Frauen ein Telefon besaßen, generell sozial und wirtschaftlich deutlich weiter entwickelt als andere.

Laut den Forscherinnen und Forscher liefert die Studie handfeste Belege, wie wichtig es ist, die digitale Kluft, die es global noch immer gibt, weiter zu schließen. Entscheidungsträger sollten sich dafür einsetzen, dass moderne Technik in armen Regionen sowie für sozial schwächere Personen vermehrt leistbar und verfügbar wird.