Bei einer Coronavirus-Teststation hält jemand die Ausrüstung für einen PCR-Test in der Hand.
APA/BARBARA GINDL
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Coronavirus

Viele symptomlose Infektionen in Wien

Zwei Drittel aller Menschen, die in Wien zuletzt positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, waren asymptomatisch – hatten also keine Anzeichen wie Fieber, Husten und Halsweh. Genau lässt sich dieser hohe Anteil bisher nicht erklären.

Überhaupt sind noch viele Fragen zu symptomlosen Infektionen offen – die Expertinnen und Experten kommen Antworten aber immer näher.

Von 6. bis 13. Juni – das ist die aktuellste abgeschlossene Woche von Samstag bis Samstag – wurden in Wien 162 Menschen positiv auf eine Infektion mit Sars-Coronavirus-2 getestet. 105 davon zeigten laut Corina Had, Pressesprecherin des Wiener Krisenstabs, zum Zeitpunkt des Tests keine Symptome. Knapp zwei Drittel haben demnach nicht bemerkt, dass sie infiziert waren. Außerdem auffällig: Unter den Getesteten waren viele junge Menschen, mehr als ein Drittel war unter 30, zwei Drittel unter 50.

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch das Morgenjournal am 19.6.2020.

Für Heinz Burgmann, Infektiologe an der Medizin-Universität Wien, ist das ein Teil der Erklärung: „Es hängt immer davon ab, in welcher Population wir suchen. Je jünger, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Symptome sehr gering ausfallen oder dass es vielleicht gar keine Symptomatik gibt.“ In Wien hat man die asymptomatischen Infektionen hauptsächlich im Umfeld kranker Personen gefunden, in Familie und am Arbeitsplatz. Grundsätzlich könne man in einem solchen Setting, wo eher jüngere Menschen nachweislich Kontakt mit einer kranken Person hatten, mit vielen positiven Tests ohne Krankheitssymptome rechnen, so der Infektiologe im Interview mit Ö1.

Eine Ärztin nimmt im Zuge eines PCR-Tests einen Rachenabstrich vor.
APA/dpa/Jörg Carstensen
Viele Menschen, die positiv getestet werden, spüren keine Covid-Symptome. Manche bleiben während der gesamten Infektion asymptomatisch.

Wie viele Menschen sich mit dem neuen Coronavirus infizieren, davon aber nichts bemerken, gehört noch immer zu den Rätseln dieser Pandemie. Seit ihrem Ausbruch gab es zahlreiche Studien, die diese Frage anhand abgegrenzter Gruppen untersucht haben – zum Beispiel am Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, wo im März Covid-19 ausgebrochen ist und alle Menschen an Bord durchgetestet wurden. „Da hat man gesehen, dass rund 40 Prozent der Fälle asymptomatisch verlaufen sind oder erst in späterer Zeit symptomatisch wurden“, so Burgmann. Laut einem Ende März veröffentlichten Bericht des US-amerikanischen Center for Disease Control (CDC) lag der Anteil zum Testzeitpunkt bei 46,5 Prozent.

Von der Hochzeitsgesellschaft bis zur Kleinstadt

Nach einer Hochzeit in Jordanien, wo das Virus viele Teilnehmer infiziert hat, hat man die gesamte Gesellschaft durchgetestet und 47,4 Prozent symptomlose Infektionen gefunden. Im italienischen Dorf Vo‘ in der Nähe von Padua wurde der Großteil der Bevölkerung während des Lock-downs getestet, dort zeigten 43,2 Prozent der positiv getesteten Menschen keine Symptome. Die entsprechende Studie ist bisher nur als Preprint, also ohne Überprüfung durch die Fachcommunity erschienen.

Mit 22 Prozent deutlich niedriger fiel der Anteil asymptomatischer Infektionen in der deutschen Gemeinde Heinsberg aus, wo nach einer Faschingssitzung besonders viele Ansteckungen gemeldet wurden. Auch hier handelt es sich um eine Preprint-Studie, schon bei ihrer Präsentation wurde Kritik an der Methode laut.

Ungeklärtes Infektionsrisiko

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO beschäftigt sich intensiv mit dem Phänomen der symptomlosen Sars-CoV-2-Infektionen. Kürzlich hat sich Chefepidemiologin Maria van Kerkhove zu Wort gemeldet. WHO-Untersuchungen zufolge ist der Anteil der asymptomatischen Patienten deutlich niedriger als bisher berichtet, weil bei genauer Nachfrage viele zwar nicht die klassischen Covid-Symptome zeigen, dafür aber andere wie Durchfall oder generelle Abgeschlagenheit. Außerdem sei ein PCR-Test immer nur eine Momentaufnahme. Viele Menschen, die zum Zeitpunkt des Tests keine Symptome verspüren, bekommen sie einige Tage später.

Neben der Unsicherheit bezüglich des Anteils asymptomatischer Patienten gibt es noch eine zweite offene Frage: Wie häufig stecken diese Menschen andere an? „Selten“, so Kerkhove in ihrem jüngsten Statement. Aus der Wissenschaft hagelte es für diese Aussage sofort heftige Kritik, die WHO ruderte zurück, spricht nun in Sachen Ansteckung wieder von einer „großen offenen Frage“.

Und auch der Infektiologe Heinz Burgmann von der Medizin-Universität Wien sagt: „Ob Menschen ohne Symptome andere weniger anstecken, weil sie nicht husten und niesen und damit weniger Tröpfchen ausschleudern – dazu gibt es derzeit keine verlässlichen Studien.“ Deshalb gelte auch weiterhin: Vorsicht beim Kontakt mit besonders gefährdeten Personen ist geboten, solange das Virus kursiert.