Künstlerische Darstellung von DNA
©ktsdesign – stock.adobe.com
©ktsdesign – stock.adobe.com
Zwei Mio. Euro

Teuerstes Medikament erstmals in Österreich

Die Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine seltene, aber sehr schwere Krankheit. Nun wurde erstmals in Österreich ein erkranktes Baby mit einer neuartigen Gentherapie behandelt. Grundlage ist ein Medikament, das mit Kosten von fast zwei Mio. Euro als teuerstes der Welt gilt.

Am Mittwoch wurde in Salzburg ein vier Monate altes Baby damit behandelt, wie Experten bei einer Online-Pressekonferenz erklärten. „Die neue Therapie birgt große Vorteile. Sie setzt direkt an dem Gendefekt an. Die Behandlung erfolgt einmalig. Der dritte Vorteil ist der Zugang durch eine intravenöse Infusion“, sagte Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung. Die Kosten von fast zwei Millionen seien „ein stolzer Preis“, meinte er gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, er wolle aber nicht bewerten, ob die Summe gerechtfertigt sei oder nicht. Aus medizinischer Sicht sei das Medikament „Zolgensma“ jedenfalls ein Segen.

Tödliche Erkrankung des Nervensystems

Die Spinale Muskelatrophie (Typ 1) beruht auf einem Defekt oder dem Nichtvorhandensein eines bestimmten Gens (SMN1), wodurch ein Protein fehlerhaft oder nicht gebildet wird, welches das Überleben der Bewegungsneuronen im Zentralnervensystem ermöglicht. Sie sind für die Steuerung der Muskelarbeit entscheidend. Der „Schaden“ liegt bei dieser monogenetischen Erkrankung allein in diesem Gen. Bei SMA Typ1 entwickeln sich Babys motorisch kaum, ohne Beatmung sterben die meisten innerhalb von zwei Jahren. Mit SMA Typ 2, 3 oder 4 gibt es auch Krankheitsformen, bei denen erst später gravierende Probleme auftreten.

Die Häufigkeit von SMA liegt in Österreich bei einem Fall unter 7.000 bis 10.000 Neugeborenen. "Pro Jahr werden zwischen neun und zwölf Kinder mit der Erkrankung geboren. Zirka zwei Drittel leiden an einer schweren Verlaufsform“, so Bernert.

Ersatz für Lumbalpunktion

Seit bereits einigen Jahren gibt es aufwendige medikamentöse Therapien, die lebenslang erfolgen müssen und in regelmäßigen Abständen Lumbalpunktionen – also die Entnahme von Flüssigkeit aus der Wirbelsäule – erforderlich machen. Das zum Novartis-Konzern gehörende Biotech-Unternehmen Avexis hat hingegen einen auf einem ungefährlichen Adenovirus basierenden Vektor entwickelt, in den das Gen für das SMN1-Protein eingebaut ist.

Die Verabreichung der Infusion mit den Vektoren ist damit eine Genersatztherapie. Die Virusvektoren überwinden die Blut-Hirn-Schranke und legen das SMN1-Gen in den Zielzellen ab. Sehr schnell nehmen die Zellen die Produktion des Proteins auf. Das lässt sich im Blut messen. Der Effekt mit einer Besserung der motorischen Fähigkeiten der behandelten Kinder lässt sich schon binnen kurzer Zeit dokumentieren.

„Bisher wurden in Studien weltweit bereits 100 Patienten behandelt“, sagte Hardo Fischer, für Österreich zuständiger regionaler medizinischer Direktor von Avexis. Alle Studiendaten sprächen für große Erfolge. "Keines der Kinder hat motorische Fähigkeiten verloren.“

Schematische Darstellung Zellkern und DNA-Strang mit Erklärung zur Gentherapie
APA

Vier Monate altes Mädchen in Salzburg

Je früher die Therapie erfolgt, desto besser. Einmal verlorene Motoneuronen und damit aufgetretene Behinderung lassen sich nicht mehr „ersetzen“ bzw. rückgängig machen. Deshalb sollte – derzeit – möglichst früh Verdacht aufkommen, wenn ein Baby eine schlechte motorische Entwicklung aufweist. Die Diagnose erfolgt per Gentest.

So war dies auch bei dem nunmehr in Salzburg behandelten vier Monate alten Mädchen der Fall. Der behandelnde Arzt und Neuropädiater Christian Rauscher sagte: „Bei der kleinen Patientin wurde bei der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung eine herabgesetzte Muskelspannung erkannt.“ Binnen zwei Tagen erfolgte bereits die Untersuchung mit der genetischen Diagnose der Erkrankung. Binnen drei Wochen erfolgte dann – eben am Mittwoch – die Therapie.

„Das Kind hat 30 Minuten der einstündigen Infusion verschlafen und war die anderen 30 Minuten wach. Wir werden das Baby noch einige Tage im Krankenhaus behalten.“ Dann werde das Kind aus dem Spital entlassen. In rund vier Wochen sollte im Rahmen der Nachuntersuchungen der Effekt zu bemerken sein.

Kostet fast zwei Mio. Euro

Die Therapie mit dem derzeit teuersten Arzneimittel der Welt in Form dieses Genersatzes wurde nach den USA vor Kurzem auch von der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen. Die Kosten betragen pro Patient 1,945 Millionen Euro. „Wir haben bereits die Kostenübernahme mit zwei großen (Krankenhaus-)Trägern unter Dach und Fach gebracht“, erklärte Elisabeth Kukovetz, Avexis-Managerin für Österreich.

Dies seien derzeit die Salzburger Landeskrankenanstalten und der Wiener Gesundheitsverbund (vormals KAV). Gespräche gebe es aber auch bereits mit Oberösterreich und der Steiermark. Das Finanzierungsmodell basiert derzeit auf Ratenzahlungen über sechs Jahre hinweg.