Oberfläche eines Smartphones mit Logos von Instagram, Twitter, Facebook (Soziale Medien)
AFP/DENIS CHARLET
AFP/DENIS CHARLET
Intervention

Tipps gegen Falschmeldungen wirken

Vor drei Jahren hat Facebook in vielen Ländern zehn Tipps veröffentlicht, die dabei helfen sollen, Falschmeldungen von seriösen Informationen zu unterscheiden. Wie eine Studie zeigt, kann eine solche Intervention tatsächlich helfen, zumindest kurzfristig.

Wie schnell sich Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und Gerüchte via Facebook, Twitter und Co. verbreiten, hat die Coronavirus-Krise erneut deutlich gemacht. Die vielen Wissenslücken und die tägliche Informationsflut war und ist dafür ein idealer Nährboden, darauf wies auch die Europäische Kommission in einer gemeinsamen Mitteilung vor wenigen Tagen hin: Man wünscht sich ein entschlosseneres Vorgehen gegen diese „Infodemie“ von Seiten der Social-Media-Unternehmen, deren Rolle bei der Verbreitung von Fake News spätestens seit dem vergangenen US-Präsidentschaftswahlkampf vermehrt kritisiert wurde. In Zukunft soll es in der EU auch regelmäßig Berichte über ergriffene Maßnahmen geben.

Wie man Fake News erkennt

Tatsächlich werden Fakten durch Firmen wie Google und Twitter heute deutlich häufiger gecheckt als noch vor einigen Jahren. Abgesehen von solchen internen Kontrollmechanismen setzt man aber auch auf mehr Medienkompetenz. So hat etwa Facebook im April 2017 in 14 Ländern eine Liste von zehn Tipps über den News Feed seiner Nutzerinnen und Nutzer verbreitet. Sie sollten helfen, Falschmeldungen relativ rasch zu erkennen.

Grafik zu Falschmeldungen
Egan Jimenez, Princeton University

Das Unternehmen warnt darin unter anderem vor reißerischen Überschriften, rät zu inhaltlichen Checks bzw. Gegenchecks und Quellenüberprüfung. Auch auf formale Indizien, wie z.B. ungewöhnliche Formatierungen und manipulierte Bilder, solle man achten. In einigen Staaten, wie z.B. in den USA, Frankreich und Deutschland, wurden zeitgleich ganzseitige Inserate mit der Liste in Zeitungen geschaltet. Etwas später wurden die Tipps leicht adaptiert auch über WhatsApp verteilt. Das war bis dato die größte Intervention ihrer Art, schreiben die Forscher um Andrew M. Guess von der Princeton University in ihrer soeben in den „PNAS“ erschienenen Studie.

Unterschiede erkennen

Für die Arbeit wurde untersucht, ob solche Maßnahmen überhaupt eine Wirkung haben – also ob sich die Medienkompetenz von Nutzerinnen und Nutzer dadurch tatsächlich verbessern kann. Überprüft wurde das nun mit Stichproben aus den USA und Indien – in beiden Ländern hätten Falschmeldungen bei den letzten Wahlen eine maßgebliche Rolle gespielt, betont das Team, dem auch der indische Forscher Neelanjan Sircar von der Ashoka Universität angehörte.

Die insgesamt mehr als 4.000 US-Probandinnen und Probanden wurden im Abstand von wenigen Wochen zweimal online befragt – auch um zu sehen, wie nachhaltig mögliche Effekte sind. In Indien wurden neben einer ähnlichen Onlineerhebung auch etwa 3.000 Personen in ländlichen Regionen persönlich befragt. In Indien wie in den USA mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Wahrheitsgehalt von Überschriften in der politischen Berichterstattung bewerten. Unter den wählbaren Möglichkeiten waren Falschmeldungen genauso wie Inhalte aus mehr oder weniger bekannten bzw. seriösen Medienquellen. Die Hälfte hatte zuerst die Facebook-Tipps zum Erkennen von Fake News erhalten.

Bessere Einschätzung

In den beiden Online-Stichproben zeigten sich tatsächlich Effekte in der Interventionsgruppe. In den USA war die Fähigkeit, zwischen unwahren und korrekten Überschriften zu unterscheiden, gegenüber jenen, die keine Tipps erhalten hatten, um etwa ein Viertel besser. Bei der indischen Online-Befragung betrug der Unterschied etwa 17 Prozent. Da wie dort wurden falsche Meldungen nach der Intervention insgesamt häufiger erkannt. Die Skepsis ist aber auch gegenüber seriösen Nachrichten etwas gestiegen. Die jeweilige politische Meinung spielte für die Bewertung keine Rolle, schreiben die Autoren.

Bei der indischen Face-to-Face-Studie fanden die Forscher hingegen keinerlei Veränderungen. Das könnte daran liegen, dass die ländliche Bevölkerung generell sehr unerfahren mit Online-Inhalten ist.

Kritikfähigkeit trainieren

Auch bei den Online-Probandinnen und Probanden schwächte sich die Wirkung im Lauf der Wochen wieder ab. Dass die Effekte nicht besonders groß und vor allem nicht sehr nachhaltig waren, könnte aber auch ganz andere Gründe haben.

Unter anderem bieten Falschmeldungen häufig eine leicht verständliche Geschichte und sind allein dadurch anziehender, meint dazu Josephine B. Schmitt vom Center for Advanced Internet Studies in Bochum: „Gleichzeitig werden Nachrichten eher für wahr gehalten, wenn sie ähnliche Weltanschauungen vertreten“, erklärt die Medienforscherin gegenüber dem deutschen Science Media Center. Manche Menschen halten sogar erst recht an Überzeugungen fest, wenn versucht wird Falschmeldungen zu enttarnen. Dennoch sollte man die Medienkritikfähigkeit gezielt fördern.

Dass dafür eine einmalige Online-Intervention in der Regel nicht ausreichen wird, betonen auch die Forscher um Guess. Und selbst wenn man nicht alle Menschen damit erreichen kann, sei es wünschenswert, wenn der Anteil jener wächst, die dem täglichen Nachrichtenstrom nicht völlig kritiklos begegnen.