BewerberInnen warten auf ein Jobinterview, zwei Frauen und zwei Männern auf Stühlen, Ausschnitt ohne Köpfe
Africa Studio/stock.adobe.com
Africa Studio/stock.adobe.com
Arbeitswelt

„Gender-Bias“ überlebt im Kopf

Am Arbeitsmarkt haben Frauen nach wie vor die schlechteren Karten, selbst in Bereichen, wo sie mittlerweile gut vertreten sind – das zeigt eine britische Studie. Der „Gender-Bias“ halte sich besonders in den Köpfen jener, die glauben, es gebe keine Unterschiede mehr.

Seit Jahren bemüht man sich, Mädchen und Frauen auch für typische Männerberufe zu begeistern. Das Ziel: Bessere Aussichten auf eine Karriere, ein höheres Einkommen und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Denn – so eine der Annahmen – wären Frauen in einem Arbeitsfeld präsenter und sichtbarer, würden sie auch eher akzeptiert und man würde ihnen mehr zutrauen.

Dass die Gleichung nicht so einfach aufgeht und ein höherer Frauenanteil auch paradoxe Folgen nach sich ziehen kann, zeigt die aktuelle Arbeit der Forscherinnen und Forscher um Christopher Begeny von der University of Exeter. Sie haben ein Arbeitsumfeld gewählt, in dem Frauen tatsächlich zahlenmäßig stark aufgeholt haben: die Veterinärmedizin. Vor einigen Jahrzehnten war ein Tierarzt meist männlich, heute ist es mancherorts fast ein Frauenberuf geworden. Auch an der Veterinärmedizinischen Universität Wien ist die überwiegende Anzahl an Studierenden heute weiblich.

Diskriminierte Mehrheit

In Großbritannien, wo das Team um Begeny seine Untersuchung durchgeführt hat, gibt es seit einigen Jahren ebenfalls mehr Veterinärmedizinerinnen als -mediziner. In einem ersten Schritt wurden Männer und Frauen aus der Berufsgruppe zu ihren subjektiven Erfahrungen befragt. Frauen berichteten häufiger, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden und sie für ihre Arbeit weniger Wertschätzung erhalten als Männer.

Im zweiten Teil der Studie wurde experimentell untersucht, ob Frauen tatsächlich noch immer schlechter behandelt werden, obwohl sie die Mehrheit des Berufsstands stellen. Durchgeführt wurden die Experimente mit mehr als 200 echten Entscheidungsträgern aus dem Bereich, rekrutiert wurden sie über die British Veterinary Association. Vorgeblich ging es darum, zu verstehen, wie sie als Vorgesetzte agieren.

Fiktive Bewerbung

Ausgangspunkt der Experimente war eine fiktive Bewerbung bzw. der von einem Personalmanager ausgefüllte Bewertungsbogen zu einer Bewerbung. Um die Situation für die Testpersonen noch realistischer darzustellen, wurde behauptet, dass es sich um die echten Aufzeichnungen zu einem Bewerber/einer Bewerberin handelte, die/der danach den Job erhalten hatte.

Die zwei zufällig ausgewählten Gruppen erhielten fast dieselben Unterlagen: Ausbildung, Erfahrung und Verdienst waren völlig identisch, der einzige Unterschied war der Vornamen, einmal hieß die Bewerberin Elizabeth, im anderen Fall der Bewerber Mark. Die Bewertung war dabei nicht hundertprozentig positiv, sondern durchwachsen. Die Testpersonen mussten auf dieser Basis Leistung und Kompetenzen einschätzen sowie ein fiktives Gehalt nennen.

Grafik zur Einschätzung der Gleichberechtigung bei den VeterinärmedizinerInnen in GB
Christopher Begeny, University of Exeter

Anschließend wurden die Managerinnen und Manager befragt, ob sie glauben, dass Frauen und Männer in der Veterinärmedizin die gleichen Chancen haben und generell gleichberechtigt sind. Mehr als 44 Prozent waren dieser Meinung, mehr als 60 Prozent davon Männer. 40 Prozent vertraten hingegen die Meinung, dass es noch immer einen “Gender-Bias“ gebe, nur ein knappes Viertel davon waren Männer. Der Rest hatte keine eindeutige Meinung.

Quoten reichen nicht

Die Auswertung zeigte: Die meisten Testpersonen – Männer und Frauen – hielten Mark für kompetenter als Elizabeth, sie trauten ihm eher eine Karriere zu und würden ihm auch ein höheres Gehalt zahlen, im Schnitt um acht Prozent mehr. Jene, die dachten, in ihrem Arbeitsgebiet gebe es längst keine Ungleichbehandlung mehr, waren hauptverantwortlich für dieses Lohngefälle, schreiben die Studienautoren. Testpersonen, in deren Augen es immer noch Ungerechtigkeit gibt, waren fairer beim Gehalt.

Die Ergebnisse machen den Forschern zufolge deutlich, dass Denken und Tun nicht immer dasselbe sind, auch wenn es um Gleichberechtigung geht. Vermeintlich überwundene Stereotypen können sich unterbewusst festsetzen und so Entscheidungen beeinflussen. Das sollte man auch in der Praxis berücksichtigen, wenn man etwa die Lohnschere schließen möchte, die bei angehenden britischen Veterinärmedizinern und -medizinerinnen übrigens tatsächlich ca. acht Prozent beträgt.

Wie die Autoren betonen, sollte man die Macht unbewusster Vorurteile auch bei der Frauenförderung nicht vergessen. Mit anderen Worten: Einfach den Frauenanteil zu erhöhen, wird meistens nicht ausreichen. „Auch mit der gleichen Anzahl von Frauen und Männern muss es keine Gleichbehandlung geben“, meint Begeny dazu in einer Aussendung. Ohne Wachsamkeit und Bewusstseinsbildung werde es nicht funktionieren. Für gleiche Rechte in der Arbeitswelt bräuchte es aber auch ganz praktische Richtlinien, z.B. könnten Bewerbungen ohne Vornamen und Foto beurteilt werden.