Remdesivir
AFP – ULRICH PERREY
AFP – ULRICH PERREY

EU-Behörde empfiehlt Einsatz von Remdesivir

Der Wirkstoff Remdesivir könnte bald auch in Europa als erstes Mittel gegen eine schwere Coronavirus-Erkrankung auf den Markt kommen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat am Donnerstag in Amsterdam eine Zulassung unter Auflagen für das Mittel mit dem Handelsnamen Veklury empfohlen.

Die EU-Kommission muss dem noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Die Entscheidung der Kommission soll laut EMA in der kommenden Woche fallen.

“Meilenstein im Kampf gegen Covid-19“

Die Empfehlung der EMA gilt für die Behandlung von Erwachsenen und Heranwachsenden ab zwölf Jahren. Voraussetzung für eine Behandlung ist, dass der Patient oder die Patientin eine Lungenentzündung hat und mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden muss.

Die EMA-Empfehlung wertet der an Studien beteiligte Münchner Mediziner Clemens Wendtner als Lichtblick für Coronavirus-Patienten. „Auch wenn Remdesivir noch nicht das Allheilmittel ist, so ist die heutige Empfehlung der EMA für eine Zulassung der Substanz ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen Covid-19“, sagte der Chefarzt der Klinik für Infektiologie an der München Klinik Schwabing.

Verkürzt Genesungsdauer

Eine internationale Studie mit über 1.000 Teilnehmern hatte Ende April gezeigt, dass Remdesivir bei Covid-19-Patienten die Zeit bis zu einer Genesung im Schnitt um vier Tage verkürzen kann – von 15 auf elf Tage. Die Sterblichkeit ging in der Untersuchung geringfügig zurück, was statistisch jedoch nicht signifikant war.

Die USA hatten bereits Anfang Mai eine Ausnahmegenehmigung für den begrenzten Einsatz des Wirkstoffes in Krankenhäusern erteilt. Auch in Österreich wurde und wird das Mittel bereits angewendet.

Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, zeigte aber eine zu geringe Wirkung. Es ist bisher in keinem Land der Welt uneingeschränkt als Medikament zugelassen. Bisher gibt es keine Impfung gegen das neuartige Coronavirus und auch keine zuverlässige zugelassene medikamentöse Therapie.

Schnellverfahren wegen Notlage

Die für Medikamente in der EU zuständige Behörde hatte am 30. April angesichts der medizinischen Notlage ein Schnellverfahren für die Zulassung von Remdesivir gestartet. Dabei reicht der Antragsteller Daten aus Studien und Laboruntersuchungen nach und nach ein. Diese werden dann zeitnah bewertet. Sobald die Daten komplett sind, wird der Zulassungsantrag gestellt.

Remdesivir wird vom US-Biotech-Unternehmen Gilead Sciences hergestellt. Den offiziellen Antrag auf die begrenzte Zulassung von Remdesivir auf dem europäischen Markt hatte Gilead Anfang Juni gestellt.

Sinnvoll vor allem in frühen Phasen

Die Substanz ist ein sogenanntes Nukleotid-Analogon. Es ähnelt dem Erbgutbestandteil Adenosin. SARS-CoV-2 benötigt auch Adenosin für die Replikation seiner RNA-Erbsubstanz. Der falsche Baustein wird in die Erbsubstanzkette eingebaut und führt zum Abbruch des Prozesses. Das hemmt die Virusvermehrung. Das Wirkprinzip ist seit der Entwicklung der ersten Anti-HIV-Medikamente bekannt.

Remdesivir soll relativ breit wirken: bei SARS-, MERS-CoV, Ebola- und Marburg-Fieber-Erregern. Vor Covid-19 wurde es jedenfalls bei SARS-CoV- und MERS-CoV-Patienten verwendet. Laut Forscherinnen und Forscher dürfte Remdesivir vor allem bei früher Anwendung einen Effekt durch seine antiviralen Eigenschaften haben. Bei einem schweren Covid-19-Krankheitsverlauf steht hingegen vor allem die überschießende Immunreaktion auf den Infekt im Vordergrund.