Klimaanlage
Science Photo Library / picturedesk.com
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Coronavirus

Klimaanlagen als Virenschleudern?

„Ordentlich Lüften!“ soll das Ansteckungsrisiko mit SARS-CoV-2 minimieren. Wenn das nicht geht oder es zu heiß ist, kommen Klima- und Belüftungsanlagen zum Einsatz. Ein erhöhtes Infektionsrisiko sehen Experten nicht. Es sind aber ein paar Dinge zu beachten.

Aktuell gehen Virologinnen sowie Raumlufttechnikexperten davon aus, dass standardisierte Klima- und Belüftungsanlagen das Infektionsrisiko nicht erhöhen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich Viren – anders als Bakterien und Pilze – nicht selbstständig in einer Klimaanlage vermehren können, erklärt der Präsident des Österreichischen Fachverbands für Raumlufttechnik ÖFR, Remus Marasoiu. „Ein Virus braucht dafür eben einen Wirt, wie beispielsweise einen Menschen. Eine Lüftungsanlage oder Klimaanlage ist kein Wirt.“

Frischluft statt Umluft

Völlig ausgeschlossen ist es aber nicht, dass Anlagen zur Infektion beitragen können. Dann nämlich, wenn sie die Raumluft und damit größere und kleinere virusbeladene Partikel ständig herumspülen, ohne frische Luft zuzuführen. Um das Übertragungsrisiko hier zu minimieren, empfehlen Raumlufttechnik-Fachverbände in Deutschland und Österreich, beim Betreiben einer Klima- bzw. Belüftungsanlage wenn möglich ausschließlich auf Frisch- bzw. Außenluftbetrieb umzustellen und auf den Umluftanteil zu verzichten. Frische Luft verdünnt eine allfällige Virenmenge im Raum, wodurch die Ansteckungsgefahr sinkt.

Dass die Luft in einem Raum steht und es keinen Austausch gibt, sollte in jedem Fall vermieden werden. Hier sieht die Arbeitsstättenverordnung im Paragraf 27 für Büros, Restaurants und andere Arbeitsräume allerdings schon jetzt eine Mindestmenge an Frischluft pro Person, Raumgröße und Stunde vor, um unabhängig von der Coronaviruspandemie eine ausreichende Luftwechselrate sicherzustellen. „In Paragraf 22 Arbeitnehmerschutzgesetz wird zudem gefordert, dass ausreichend ‚gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein muss und raumklimatische Verhältnisse herrschen müssen, die dem menschlichen Organismus angemessen sind‘“, zitiert Marasoiu.

Filter in Flugzeugen

Zusätzlich zur Frischluft können auch Filter die Viren- und Tröpfchenmenge in der Umluft reduzieren, sofern sie fein genug sind. „Grundsätzlich sollte mindestens ein Filter der Klasse F7 verbaut sein. F7 steht für fein. Nach der neuen ISO-Filternorm werden diese etwas sperrig als ‚ISO ePM1 >50 %‘ bezeichnet. Diese Filter können zwar keine Viren herausfiltern, wohl aber kleinere Partikel, an denen das Virus anhaftet“, so Marasoiu.

Noch feinere Filter, sogenannte Hepa-Filter, können auch Viren in der Luft abfangen und verhindern, dass sie über eine Anlage wieder in den Raum gespült werden. Sie sind üblicherweise in Krankenhäusern verbaut. Nach eigenen Angaben von Boeing und Airbus sowie auf Nachfrage bei Austrian Airlines recyceln Hepa-Filter auch in Flugzeugkabinen die Luft. Alle drei Minuten ca. soll eine Mischung aus Frisch- und Umluft die Luft an Bord komplett erneuern, so die Antwort von „Austrian Airlines“.

Eine Stewardess mit Maske in einem Flugzeug
AFP – STRINGER

Hepa-Filter sind allerdings kein Allheilmittel, betont der Raumlufttechnik-Experte Marasoiu. „Es reicht nicht, wenn man irgendwo einen Filter in die Lüftungsanlage klemmt. Es braucht vielmehr ein Lüftungskonzept. Dabei kommt es auch darauf an, wie sich die Luft im Raum bewegt und wie sie am effizientesten aus dem Raum abtransportiert wird.“

ÖBB verweisen auf „intelligente Klimaanlagen“

Anders als in Flugzeugen setzt man in Zügen weniger auf feine Filtertechnologie, sondern vor allem auf Frischluft. Auf Nachfrage bei den ÖBB heißt es: „Die modernen ÖBB-Railjets verfügen über sogenannte ‚intelligente Klimaanlagen‘, das bedeutet, dass sich die Frischluftzufuhr entsprechend den im Zug befindlichen Fahrgästen anpasst.“ Zwar sind hier ebenfalls Filter verbaut, allerdings nur grobe der Klasse G4 (nach der ISO 16890 Norm „ISO Coarse 60% – 95%“). Viren und kleinste Partikel können diese nicht herausfiltern. Wie sich Coronaviren und Partikel tatsächlich in Zügen und Flugzeugen verhalten und inwiefern die Belüftungssysteme das Infektionsrisiko minimieren können, ist aktuell noch nicht untersucht.

Zu bedenken ist allerdings, dass vermutlich selbst die besten Anlagen kaum eine Übertragung verhindern können, wenn ein Infizierter unmittelbar in der Nähe niest, hustet oder laut und mit feuchter Aussprache spricht. Aus diesem Grund ist ein Mund-Nasen-Schutz mangels Abstands zu empfehlen, um andere nicht zu gefährden, erklärt die Hygienikerin Miranda Suchomel von der Medizinischen Universität Wien. „Grundsätzlich werden die Tröpfchen sicher besser zurückgehalten, solange die Maske nicht durchfeuchtet ist und sie richtig sitzt und ordentlich getragen wird.“

Viele Anlagen entsprechen nicht den Anforderungen

Unabhängig von der Frage des Belüftungssystems spielen auch Instandhaltung und Reinigung eine wichtige Rolle, betont Marasoiu. Mit Bakterien und Pilzen verkeimte sowie verstaubte Anlagen können nämlich Luft und Atemwege zusätzlich belasten. „Da das neuartige Coronavirus eine Atemwegserkrankung auslösen kann, sollte unbedingt vermieden werden, dass die Atemwege durch Anlagen zusätzlich belastet werden, da das auch den Verlauf erheblich erschweren könnte.“

Zwar sieht die Arbeitsstättenverordnung beispielsweise vor, dass einmal im Jahr der ordnungsgemäße Zustand von Anlagen überprüft werden muss. Laut Marasoiu gibt es hier aber in Österreich oft Mängel. „Es sieht leider so aus, dass sehr viele Anlagen, vor allem Bestandsanlagen bzw. alte Anlagen im Bereich der Raumlufttechnik nicht im Entferntesten die Mindestanforderungen erfüllen.“