Eine Mitarbeiterin mit Mundschutz und Schutzkleidung entnimmt bei einer Frau eine Coronavirus-Probe.
APA/dpa/Uwe Anspach
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Forscher schlagen bundesweite Antikörperstudie vor

Noch kann niemand genau sagen, wie viele Menschen in Österreich bereits eine Coronavirus-Infektion durchgemacht haben. Forscher haben nun ein Konzept für eine bundesweite Antikörperstudie erstellt, die zwischen 5.000 und 10.000 Teilnehmer brauchte.

Auf 42,4 Prozent der Bevölkerung, die bereits eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht haben, kam eine Untersuchung u.a. auf bereits gegen das SARS-CoV-2-Virus gebildete Antikörper im Tiroler Wintersportort Ischgl. In anderen Regionen Österreichs ist der Anteil der seropositiv Getesteten höchstwahrscheinlich deutlich geringer. Im Schnitt 4,71 Prozent identifizierte etwa eine experimentelle Validierungsstudie für Antikörpertests, die im Rahmen der zweiten repräsentativen, österreichweiten Stichprobenuntersuchung Ende April in 27 ausgewählten Gemeinden durchgeführt wurde. Ein Bild der gesamtösterreichischen Situation abseits dieser regionalen Schlaglichter ist jedoch noch ausständig.

Hohe Dunkelziffer der Symptomlosen

Das möchte ein Team um Peter Willeit von der Medizinischen Universität Innsbruck und Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) ändern. Sie stellen ihr mit zahlreichen Kollegen und Kolleginnen ersonnenes Konzept für ihre „CoV-Immun-AT Studie“ im Rahmen des am Montag beginnenden Symposiums mit dem Titel „Leben mit Corona“ am IHS in Wien vor. Für eine tatsächliche österreichweite seroepidemiologische Studie bräuchte es eine auf die Bevölkerungsverteilung in den jeweiligen Bundesländern abgestimmte, entsprechend große Untersuchung. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung im Herbst und über den Winter „kann eine solche Studie für das Monitoring der österreichischen Allgemeinbevölkerung“ sehr hilfreich sein, betonte Willeit.

In Ischgl habe sich etwa gezeigt, dass es in Bezug auf die oftmals nahezu symptomlos verlaufenden Covid-19-Infektionen „eine beträchtliche Dunkelziffer gibt“ und wie breit das Spektrum an Verläufen der Erkrankung sein kann. Dort nahmen Ende April relativ viele Menschen tatsächlich an der Studie teil. Eine hohe Teilnahmerate sei auch ein Schlüssel in den Überlegungen für Gesamt-Österreich. Nur so könne man auch einen aussagekräftigen Blick für unterschiedliche Regionen oder etwa in altersabhängige oder sozioökonomische Untergruppen machen, so Willeit.

Mehrfache Tests notwendig

Gehe man von einer insgesamt recht niedrigen Prävalenz von nur wenigen Prozentpunkten aus, müsse man auch sogenannte falsch positive Ergebnisse verlässlich ausschließen. Dazu brauche es neben möglichst genauen vorgeschalteten Tests auch noch aufwendigere Neutralisationstests bei positiven Ergebnissen, die ganz spezifisch Antikörper gegen SARS-CoV-2 und kein anderes Coronavirus identifizieren. Über die Stärken und Schwächen von Nachweismethoden habe man laut Willeit „in letzter Zeit sehr viel gelernt“.

Damit das Bild wirklich verlässlich wird, müsste man Personen auch über mehrere Zeitpunkte hinweg testen, so der Epidemiologe. Das zeigt insgesamt, mit wie vielen – auch asymptomatischen – neuen Fällen man es in etwa zu tun hat. Mit diesen „Verlaufskontrollen“ könne man auch beurteilen, „wie stabil die Antikörperspiegel sind. Das ist eine ganz zentrale Frage im Zusammenhang mit der Immunität“, sagte Willeit.

Unterstützung noch nicht geklärt

„Ich glaube, eine österreichweite große Studie bringt uns weiter als punktuelle Untersuchungen“, zeigte sich der Wissenschaftler, der das Konzept mit Unterstützung vieler Kollegen und Kolleginnen aus ganz Österreich und u.a. aus London und Cambridge (Großbritannien) erstellt hat, überzeugt. Das Studiendesign sei „von wissenschaftlicher Seite sehr fundiert“. Jetzt brauche es vor allem Unterstützung, etwa vom Bund und Organisationen, die mithelfen könnten. Denn die Logistik etwa bezüglich der Blutabnahmen und der Laborressourcen sei nicht einfach zu stemmen.

Ein erster Untersuchungsdurchlauf sollte laut Willeit noch in Richtung Herbst erfolgen. Weitere Nachfolgeuntersuchungen müssten dann abhängig vom Verlauf der nachgewiesenen aktuellen Fälle eingetaktet werden. Gebe es einen stärkeren Fallanstieg, sollten die Testungen in etwa alle vier bis sechs Wochen erfolgen, in Zeiten mit weniger neuen Fällen könnte der Abstand auch größer sein.