Fliegende Schlange, im Hintergund der dunkle Abendhimmel
Jake Socha
Jake Socha
Verhalten

Wie Schlangen fliegen

Mit diesem Körperbau sollten sie eigentlich plump zu Boden fallen – tun sie aber nicht: Biophysiker aus den USA haben jetzt geklärt, wie sich fliegende Schlangen stabil in der Luft halten.

Wer sich schon einmal darüber geärgert hat, dass der säuberlich gefaltete Papierflieger schon nach ein paar Metern abschmiert und zu Boden trudelt, kennt das Problem: Stabilität ist beim Fliegen alles – das gilt nicht zuletzt für Tiere und Pflanzen, bei denen der Flug zur Überlebensfrage wird. Vögel lösen dieses Problem durch permanente Nachjustierung ihrer Flügelform, also durch „Neuro-Feedback“, Pflanzensamen wiederum gehen die Sache passiv an – und sorgen mit ausladenden Tragflächen oder Fallschirmen für eine halbwegs kontrollierte Verfrachtung.

Flug ohne Flügel

Im Vergleich dazu sind fliegende Schlangen der Gattung Chrysopelea denkbar schlecht ausgestattet. Sie besitzen weder Flügel noch sonst irgendwelche Flugorgane, was ihrer Manövrierfähigkeit aber keinen Abbruch tut. Zugegeben, wenn sich so eine Schmuckbaumnatter vom Baum fallen lässt, dann bewegt sie sich maximal 30 Meter in der Horizontalen. Mit Vögeln kann sie in Sachen Gleitflug nicht konkurrieren, aber die paar Meter absolviert sie unter voller Kontrolle, mitunter sogar inklusive Richtungswechsel. Abstürzende Schmuckbaumnattern wurden jedenfalls noch nie beobachtet. Was die Frage aufwirft: Wie macht die Schlange das?

Fliegende Schlange, im Hintergund der dunkle Abendhimmel
Jake Socha

Eine Teilantwort lieferten Biologen aus Singapur und den USA schon vor 15 Jahren. Wenn Schlangen ihr Manöver starten, spreizen sie ihre Rippen nach außen, sie machen sich also platt und sorgen damit für zusätzlichen Auftrieb. Doch das ist nicht der einzige Trick, über den die Schmuckbaumnattern verfügen, wie nun Forscher um Jake Socha im Fachblatt „Nature Physics“ berichteten. „Wenn man Schmuckbaumnattern beim Fliegen zusieht“, sagt der Biophysiker vom Virginia Polytechnic Institute, „dann fällt eines auf: Es sieht so aus, als würden sie schwimmen. Sie schlängeln sich durch die Luft – warum?“

Idealerweise würde man so eine Frage im Experiment klären. Nachdem sich Schlangen schwer motivieren lassen, ihren Instinkt zu Versuchszwecken mal bleiben zu lassen, mussten die Forscher eben auf Simulationen auf dem Computer ausweichen.

Auftrieb durch die Körperwelle

Ein mit Schlangenanatomie und Aerodynamik gefüttertes Programm bestätigte dann Sochas Vermutung: Die Schlängelbewegung hat tatsächlich einen Sinn. Sie verwandelt die Schlange gewissermaßen in einen undulierenden Flügel und stabilisiert so den Gleitflug, der Vergleich mit der Schwimmbewegung von Wasserschlangen ist also nicht so weit hergeholt. Oder umgekehrt: Würden sich Schlangen bloß passiv zu Boden fallen lassen, kämen sie viel eher ins Trudeln und würden bisweilen auf den Boden klatschen, wie es ihre flügellose Anatomie eigentlich vermuten ließe.

Diese Bewegungsform wurde von den Schmuckbaumnattern freilich nicht erfunden, sie ist vielmehr ein uraltes Erbe, von dem schon ihre boden- bzw. wasserlebenden Vorfahren Gebrauch gemacht haben. Gleichwohl eines, das von den Schmuckbaumnattern in den Dienst der Aerodynamik gestellt wurde. So ein kreativer Brückenschlag schwebt Socha nun auch in seinem zweiten Fachgebiet vor. Er hält es für realistisch, dass sich auch Roboter den Schlängelstil aneignen und in Zukunft undulierend durch die Luft gleiten werden.