Eine leere Autobahn dazu ein Schild, auf dem steht „Bitte 2 Wochen zu Hause bleiben“
AFP – CHRISTOF STACHE
AFP – CHRISTOF STACHE

Der optimale „Lock-down“

Er sollte nicht zu früh, aber auch nicht zu spät verhängt werden und zu Altersstruktur, Ausstattung der Krankenhäuser und anderen Faktoren der betroffenen Region passen: der optimale „Lock-down“, den Forscher und Forscherinnen nun skizziert haben.

Ein „Lock-down“ sollte nicht zu früh verhängt werden, so Alexia Fürnkranz-Prskawetz vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Zu früh wäre zu Beispiel gleich am ersten Tag, wo der erste Fall auftritt. Dann muss man den ‚Lock-down‘ viel zu lange halten“. Im Gegenteil sei es manchmal sogar so, dass ein verzögerter „Lock-down“ sogar dazu führen kann, dass er kürzer dauert, weil die Bevölkerung durch die höhere Zahl von Infizierten dann bereits weniger anfällig ist.

Fürnkranz-Prskawetz und ihre Kollegen aus Österreich und den USA modellieren in einem qualitativen Forschungsprojekt die Ausbreitung des Coronavirus. Einige Daten müssen bisher noch geschätzt werden, weil man noch längst nicht alles über das Virus weiß – etwa was die Dunkelziffer der Infektionsrate betrifft.

Betrifft Menschen nicht gleich

Im Zentrum des Forschungsprojektes steht die Frage, wie der optimale „Lock-down“ gestaltet werden kann, um die Balance zwischen wirtschaftlichen Kosten und der Sterberate zu halten. In Österreich war der „Lock-down“ Start im März richtig, so Alexia Fürnkranz-Prskawetz, Expertin für Mathematische Ökonomie. Doch nun müsse man darangehen, besser zu verstehen, wie die Auswirkungen des „Lock-downs“ auf unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft sind.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 30.6., 13:55 Uhr.

Ein „Lock-down“ trifft nicht alle gleich: Kinder aus bildungsfernen Familien verlieren ohne Schule den Anschluss. Männer sind eher gefährdet, am Coronavirus zu sterben, doch das Team um Fürnkranz-Prskawetz hat festgestellt, dass Frauen bis zu einer gewissen Altersgruppe, etwa 50 bis 60 Jahre, stärker betroffen sind. Der Grund: Sie arbeiten häufiger im Pflege- und Gesundheitsbereich.

Regionale „Lock-downs“ sinnvoll

Kommt es zu einer zweiten Welle, sollten die „Lock-downs“ eher regional unterschiedlich gesetzt werden, so Alexia Fürnkranz-Prskawetz. Ob die Menschen in einer Region alt oder jung sind, ob die Versorgung mit Intensivbetten gut oder schlecht ist, ob Stadt oder Land, und wie die Wirtschaft darunter leidet, solche Faktoren könnten in Zukunft kombiniert werden bei der Frage zu Beginn, Ausgestaltung und Beendigung von „Lock-downs“.

Was die bisherigen Modelle zeigen, ist, dass es keine einzelne optimale Strategie gibt. Das Sozialsystem ist je nach Land oder Region unterschiedlich belastbar und die Bevölkerung unterschiedlich gefährdet, etwa je nach Alter oder Beruf.

Der Wert des Lebens

Nicht zuletzt ist es auch die Beurteilung des Wertes eines Menschenlebens, die den Ausschlag für die Art und Weise des „Lock-downs“ gibt. „Wenn die Kosten für ein Leben im Modell sehr hoch angesetzt sind, wäre die optimale Reaktion ein sofortiger ‚Lock-down‘. Sind die Kosten für ein Leben im Modell gering angesetzt, wäre die optimale Reaktion ein kompletter Verzicht auf einen ‚Lock-down‘.“ In der Realität, so Alexia Fürnkranz-Prskawetz, bewegten sich die meisten Länder in dieser Frage in der Mitte.