Kabeljau
AFP/LOIC VENANCE
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Klimawandel

Erwärmung bedroht Fischbestand

Der Klimawandel lässt die Temperaturen auch in den Meeren sowie in Seen und Flüssen steigen. Das könnte die Fortpflanzung von Fischen stärker gefährden als bisher angenommen. Geht die Klimaerwärmung ungebremst weiter, sind bis zu 60 Prozent der Fischarten bedroht.

Fische sind in bestimmten Lebensphasen unterschiedlich temperaturempfindlich. Während Larven und ausgewachsene Fische (außerhalb der Paarungszeit) im Durchschnitt einen Temperaturanstieg von bis zu elf bzw. 14 Grad Celsius aushalten, kommen laichende Fische und Fischeier bereits bei plus drei, vier Grad in Bedrängnis. „Das zeigt ganz klar, dass die Temperaturbedürfnisse von Embryonen und laichenden Fischen ein kritisches Nadelöhr im Lebenszyklus der Tiere darstellen“, schreiben die deutschen Forscher in ihrer im Fachjournal „Science“ veröffentlichten Studie.

Für die Publikation analysierten sie Studien zu knapp 694 Meeres- und Süßwasserfischarten weltweit und sahen sich dabei an, wie gut diese je nach Lebensphase höhere Temperaturen aushalten. „Wir wollten dadurch herausfinden, inwieweit die Bestände in ihrem Lebensraum durch die globale Klimaerwärmung gefährdet werden“, so der Studienleiter und Meeresbiologe Flemming Dahlke vom Alfred-Wegener-Institut in Hamburg. In bisherigen Modellen wird nämlich ausschließlich die Temperaturempfindlichkeit von ausgewachsenen, nicht paarungsbereiten Fischen miteinbezogen. „Man muss aber auf das schwächste Glied in der Kette achten, um hier das Risiko richtig abschätzen zu können.“

Bachforelle in Fluss
APA/NATURSCHUTZBUND/WOLFGANG SCHRUF

Wie sich Klimaszenarien auswirken

Das Ergebnis zeigt einen klaren Unterschied zwischen „Best Case“- und „Worst Case“-Szenario: Selbst wenn man es schafft, die Klimaerwärmung im Idealfall bis zum Ende des Jahrhunderts bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen, wird es für zehn Prozent der untersuchten Fischarten an ihren gewohnten Laichplätzen zu warm sein. Wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten hingegen nichts gegen die Klimaerwärmung unternommen und kommt es dadurch zu einer globalen Erwärmung von fünf Grad Celsius oder mehr (Szenario SSP5-8.5), ist die Fortpflanzung von 60 Prozent der Fische gefährdet.

Zu den besonders empfindlichen Tieren zählen bekannte Meerestierarten wie der Schwertfisch, Barrakuda, Kabeljau sowie Thunfische. Unter den in Flüssen, Seen und Teichen heimischen bzw. laichende Fischen sind vor allem pazifische Lachse, Forellen und Störe bedroht, erläutert der Meeresbiologe.

Hitzewellen liefern Vorgeschmack

Veränderungen sind aber auch jetzt schon zu beobachten. Immerhin ist die Klimaerwärmung bereits in Gang und die durchschnittliche Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um rund ein Grad angestiegen. „Einige Meeresarten verbreiten sich weiter nordwärts oder in tiefere Gewässer, um in ihrem bevorzugten Temperaturbereich bleiben können“, erläutert Dahlke. Einen Vorgeschmack lieferten in den vergangenen Jahren auch extreme Hitzewellen im Golf von Alaska. Dabei erreichte das Meer Temperaturen, die im schlimmsten Fall in dieser Region Durchschnitt werden, so Dahlke. „Das Meer war plötzlich um fünf Grad wärmer als normalerweise, wodurch Fischarten wie der Lachs oder der pazifische Kabeljau in der Fortpflanzungsphase extrem gelitten haben. Diese Beobachtungen decken sich sehr gut mit unseren Prognosen.“

Kabeljau-Embryos
fdahlke

Dass Fische gerade in der Paarungszeit sowie als Embryonen am wärmeempfindlichsten sind, könnte laut den Forschern am Sauerstoff liegen. „Wenn es wärmer wird, wird der Stoffwechsel schneller, das Tier braucht mehr Energie und benötigt damit auch mehr Sauerstoff zum Überleben.“ Da Embryonen noch keine Kiemen haben, fehlt ihnen die Möglichkeit, den erhöhten Sauerstoffbedarf bei steigenden Temperaturen auszugleichen. Trächtige Fische wiederum müssen die zusätzliche Körpermasse mit Sauerstoff versorgen. In dieser Phase ist das Herz-Kreislaufsystem schon bei niedrigeren Temperaturen enorm gefordert und hat weniger Spielraum, erläutert Dahlke.

Anpassung schwierig

Um langfristig zu überleben, müssten sich betroffene Arten deshalb entweder evolutionsbiologisch an die höheren Temperaturen anpassen, was nach jetzigen Erkenntnissen aber zu lange dauern würde, so der Meeresbiologe. Die andere Möglichkeit ist, dass die Fische mit ihrer Fortpflanzung in eine andere Jahreszeit oder an einen anderen Ort ausweichen. „Hier entsteht aber das Problem, dass manche Tiere auf sehr spezielle Bedingungen angewiesen sind. Manche müssen ihre Eier an bestimmten Pflanzen oder auf bestimmtem Untergrund ablegen. Bei anderen Arten sorgen besondere Strömungsverhältnisse dafür, dass der Nachwuchs genug Futter findet. Ob diese ganzen Gegebenheiten in alternativen Gebieten so vorhanden sind, ist nicht sicher.“ Süßwasserfische sind zudem grundsätzlich unflexibler, da sie in Teichen, Seen und Flüssen nicht so leicht unterschiedliche Temperaturen vorfinden.

 Tunfisch im Aquarium
AFP/TOSHIFUMI KITAMURA
Tunfisch in Aquarium

Fischbestände werden sich verändern

Welche Konsequenzen es für andere Tiere und Pflanzen sowie auch für die Menschen hat, wenn zehn bzw. sogar 60 Prozent der untersuchten Fischarten ihre gewohnten Lebensräume verlieren, ist aktuell nicht klar. „Es kommt hier sehr auf die jeweilige Art an und welche Bedeutung sie für das Ökosystem und für den Menschen hat. Das muss man sich in den nächsten Jahren genau ansehen.“ Fest steht aber, dass sich die Zusammensetzung der Arten verändern wird, dass es etwa von einer Art mehr geben wird und andere vielleicht ganz verschwinden werden. Das kann zu einem Ungleichgewicht führen.

Dahlke weist auch darauf hin, dass die Analyse ausschließlich die Wassertemperatur berücksichtigt. Sauerstoffmangel, Versauerung der Meere oder Umweltverschmutzung sind nicht miteingerechnet. „Unsere Ergebnisse sind daher sicher eher konservativ. Denn es ist durchaus möglich, dass sich all diese Effekte gegenseitig verstärken.“ Der Schutz des Klimas sei deshalb unbedingt notwendig, um die Fischbestände weiterhin so zu erhalten, wie wir sie kennen, betonen die Forscher.