Hand mit Handschuhe nimmt Blutprobe aus einem Set mit Blutproben
angellodeco – stock.adobe.com
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Nur Teil der Infizierten wird immun

Eine in Wien durchgeführte Antikörperstudie zeigt, dass offenbar weniger als die Hälfte der Infizierten schützende Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt. Jetzt wollen die Wissenschaftler den weiteren Verlauf der Immunantwort beobachten.

Die Forscher und Forscherinnen der MedUni Wien sind gerade dabei, ihre Arbeit für die Publikation vorzubereiten. „Wir haben von Anfang April bis Mitte April in einem großen Unternehmen in Wien 1.650 Beschäftigte untersucht“, sagt Studienautorin Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. „53 Prozent waren permanent im Home Office, 47 Prozent permanent im Büro. Der Anteil der Personen, die damals keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufwiesen, war sehr hoch.“ Rund 90 Prozent zeigten keine Immunantwort.

Die Verteilung der Personen ohne Kontakt mit den Covid-19-Erregern war in der Home-Office- und in der Büro-Gruppe etwa gleich verteilt. Aber, wie die Expertin erklärte: „1,88 Prozent der Getesteten zeigten Virus-reaktive Antikörper. Von ihnen war der größere Anteil aus der Home-Office-Gruppe.“ Dies könnte aber auch damit zu tun haben, dass das Unternehmen alle Beschäftigten vehement dazu aufgefordert hatte, auch bei leichtesten Krankheitssymptomen sofort zu Hause zu bleiben.

Immunantwort bei Symptomen wahrscheinlicher

Die Wissenschaftler testeten mit vier verschiedenen Verfahren die genaue Art der Immunantwort der Personen, welche offenbar mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen waren. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Nur 0,8 Prozent (von insgesamt 1,88 Prozent positiv Getesteten; Anm.) wiesen vor SARS-CoV-2 schützende Antikörper auf.“

Wahrscheinlich – und darauf deuten die Auswertungen auch gemäß den Symptomen bei den Untersuchten hin – entwickeln Personen, welche auch Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion haben, eher eine für die Zukunft schützende Immunantwort. Die Wiener Wissenschaftlerin: „Das sind offenbar alle Formen von Symptomen, auch beispielsweise Schnupfen oder Störungen des Geschmackssinns.“

Dass die Immunreaktion auch von der Schwere der Erkrankung abhängt, zeigen auch einige internationale Studien. Wobei noch unklar ist, was das für eine langfristigen Immunität bedeutet.

Bei den schützenden Antikörpern sind laut dem Wiener Team – potenziell längerfristig – die sogenannten IgG-Antikörper entscheidend. Wie Ursula Wiedermann-Schmidt erklärte, konnten bei manchen Untersuchten aber auch sogenannte IgA-Antikörper gegen das Coronavirus festgestellt werden. „Da hatten aber alle bis auf eine Person nichts von der Infektion gespürt.“ IgA-Antikörper werden sehr schnell nach einer Infektion gebildet und machen den immunologischen Schutz in Schleimhäuten aus, verschwinden aber wieder. IgG-Schutz entsteht erst nach rund zwei Wochen, wirkt hingegen länger.

Erkenntnisse für die Impfstoffentwicklung

Die Wiener Forscher und Forscherinnen engagieren sich jetzt auch in Studien, um aus den Erkenntnissen Schlussfolgerungen für die Entwicklung wirksamer SARS-CoV-2-Impfstoffe ziehen zu können. „Wir haben untersucht, gegen welche Strukturen des Virus die Antikörper gerichtet waren", sagt Wiedermann-Schmidt.

Die Ergebnisse dieser Detailuntersuchungen: Am wichtigsten für eine schützende Immunantwort sind offenbar IgG-Antikörper, die spezifisch gegen jene Region des S-Proteins (Spike Protein; Anm.) gerichtet sind, mit der das Virus an Zielzellen bei der Infektion andockt. „Wir werden jetzt diese Strukturen genauer untersuchen und mit unserer Mimotop-Methode, die wir für eine Krebsvakzine entwickelt haben, Forschungen für die Entwicklung möglicher Impfstoffe durchführen.“ Je genauer jene Antigene definiert sind, die man für eine Immunreaktion durch Anwendung eines Impfstoffes benutzt, desto wirksamer sollte dieser sein.

Entscheidend für alle diese Fragen ist aber auch, wie beständig die Immunreaktion von Menschen auf SARS-CoV-2 ist. Davon hängt die Möglichkeit der Entstehung eines „Herdenschutzes“ genauso ab wie eine allfällige zukünftige Impfstrategie, zum Beispiel, wie oft immunisiert werden muss. Auch hier sind die Wiener Wissenschaftler dabei, Folgeuntersuchungen durchzuführen. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Wir wiederholen die Tests nach drei und sechs Monaten.“ Bei den Personen mit nachgewiesener und bereits überstandener SARS-CoV-2-Infektion wird man den Status der Immunreaktion damit längerfristig überwachen können.