Jemand drückt einen Tropfen Blut in einen Plastikbehälter
AFP – JUSTIN TALLIS
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Covid-19

Nur die Hälfte bildet schützende Antikörper

Ist man nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 immun gegen die Krankheit? Das ist eine der großen offenen Fragen dieser Pandemie. Zwei Wiener Studien liefern weitere Bausteine für eine Antwort. Demzufolge bildet nur die Hälfte schützende Antikörper. Und ihre Menge hängt nicht von der Schwere der Infektion ab.

Entscheidend bei der Frage der Immunität nach einer Covid-19-Erkrankung sind die neutralisierenden Antikörper: Nur sie verschließen – bildlich gesprochen – die Tür des Virus in die Körperzelle. Andere Abwehrstoffe, die im Zuge einer Covid-19-Erkrankung ebenfalls gebildet werden, verringern zwar die Krankheitssymptome. Der Erreger kommt aber weiterhin in die Zelle.

Individuelles Immunsystem

Dass nur die Hälfte der Infizierten die richtigen Antikörper bildet, habe ihn nicht überrascht, so Immunologe Rudolf Valenta von der Medizin-Universität Wien: „Das ist in der Immunologie eigentlich nichts Besonderes. Wir wissen, dass Menschen verschiedene Antikörper mit unterschiedlichen Spezifitäten bilden.“ Das Immunsystem sei eben individuell ausgeprägt. Wie die genaue Verteilung zwischen richtigen und falschen Abwehrstoffen gegen das kursierende Coronavirus aussieht, hat Valenta mit seinem Team im Zuge einer großen, noch unveröffentlichten Studie mit 600 Blutproben herausgefunden.

Im Zuge der Analyse hat man auch herausgefunden, dass es für die Immunantwort keine große Rolle spielt, ob ein Mensch eine schwere oder leichte Infektion hinter sich hat. „Da gibt es interessanterweise keine großen Unterschiede bei der Bildung der schützenden Antikörper“, sagte der Mediziner.

Röhrchen mit Blut und der Aufschrift  2019-nCoV
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Selbst wenn in dieser Blutprobe neutralisierende Antikörper gefunden werden, weiß man nicht, wie lange die Immunität besteht

Diesen Befund teilt auch Ursula Wiedermann-Schmidt, Impfstoffexpertin an der Medizin-Universität Wien. An ihrem Institut hat man in einer großangelegten Studie 1.650 Menschen mit und ohne Coronavirus-Infektion untersucht, auch hier konnte – im Unterschied zu manch internationaler Studie – nicht festgestellt werden, dass eine leichte oder asymptomatisches Infektion eine schlechte Immunantwort nach sich zieht. Die Medizinerin hat eine andere Hypothese: „Wahrscheinlich hängt das eher damit zusammen, wie lange jemand das Virus in sich getragen hat, wie lange er sozusagen besiedelt war. Das beeinflusst laut unserer Studie die Menge der Antikörper.“

Ö1 Sendungshinweis

Über das Thema berichtete auch das Mittagsjournal am 15.7.2020.

Bleibt noch die Frage: Wie lange hält die Immunität? In internationalen Studien hieß es zuletzt, dass die Menge der Antikörper schnell abnimmt. Das kenne man auch von anderen Infektionskrankheiten, genau beziffern könne man die Haltbarkeit der Immunität bei Covid-19 noch nicht, so Wiedermann-Schmidt. Auch der Immunologe Valenta hält sich bei dieser Frage bedeckt. Wichtig sei es, weiter zu forschen. Zu diesem Zweck sucht er für die Studie an seinem Institut noch Personen, die eine schwere Covid-19-Erkrankung hinter sich haben.

Impfung muss genau und differenziert sein

Für einen möglichen Impfstoff gegen Covid-19 bedeutet das zweierlei: Er muss jene Antikörper erzeugen, die die zelluläre Türe in den Körper verschlossen halten. Valenta und seinem Team ist das bereits gelungen: „Wir haben einen Impfstoffkandidaten in Form eines künstlichen Proteins entworfen und auch produziert.“ Nun müssten zügig klinische Studien beginnen, anhand derer man überprüfen könne, wie lange die Immunantwort bestehen bleibe. Grundsätzlich sagte Valenta: „Eine Auffrischung halbjährlich oder jährlich wäre kein Drama. Wir kennen das auch von anderen Krankheiten, dass man die Immunisierung regelmäßig wiederholen muss.“ Er appelliert an die österreichische Politik, in heimische Entwicklungen zu investieren und nicht auf Produkte großer internationaler Pharmakonzerne zu warten.

Wiedermann-Schmidt plädiert dafür, schon jetzt eine differenzierte, auf die Risikogruppen abgestimmte Impfstrategie zu entwerfen. „Man muss überlegen, wen man schützen will: jene, die ein hohes Risiko tragen, schwer zu erkranken, oder alle mit dem Ziel der Herdenimmunität.“ Um ein solches Konzept ausarbeiten zu können, brauche es aber noch weitere Informationen zu Immunantwort und Verträglichkeit eines Impfstoffs insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen – und hier heißt es warten auf weitere Antworten zu den offenen Fragen dieser Pandemie.