Fachjournale in einer Bibliothek, Publikationen
©salita2010 – stock.adobe.com
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Kurswechsel

Abkehr vom „Publish or Perish“

Der permanente Publikationsdruck in der Wissenschaft schadet der Sorgfalt und der Lehre. Jetzt fordern Forscher einen Kurswechsel ein – und schlagen fünf Prinzipien vor, mit denen man wissenschaftliche Integrität messen könnte.

Wer zum Professor berufen werden will, braucht vor allem eines: prestigeträchtige Publikationen. Dementsprechend groß ist der Druck, in renommierten Journalen zu veröffentlichen. Und auch, häufig zitiert zu werden und Förderungen einzuwerben.

Der Vorteil: Die Zahl von Publikationen, Zitierungen und eingeworbenen Fördermitteln ist relativ einfach zu messen. Allerdings bildet dieses Maß nicht die Genauigkeit und Sorgfalt der Arbeit eines Wissenschaftlers ab. Und es gibt auch keinen Einblick in dessen sonstigen Beiträge zur Forschung oder zur Lehre.

„Hongkong-Prinzipien“

Zur besseren Evaluierung der Forschungsarbeit haben Wissenschaftler daher die sogenannten „Hongkong-Prinzipien“ entwickelt – beteiligt daran war unter anderem auch die Geschäftsführerin der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI), Nicole Föger.

Unter anderem sollen Institutionen nicht mehr rein die Anzahl von Publikationen, Zitierungen und eingeworbenen Fördermitteln als Gradmesser für die Bewertung der wissenschaftlichen Tätigkeit benutzen, sondern auch „verantwortungsbewusste“ Praktiken wie das Teilen von Daten oder die Einbeziehung der Öffentlichkeit bei der Formulierung von Forschungsfragen belohnen.

Außerdem müsse mit der Praxis aufgeräumt werden, dass nur ausgesuchte Forschungsergebnisse vorgelegt werden und etwa negative Resultate, die die eigenen Annahmen widerlegen, einfach nicht veröffentlicht werden. So sollten etwa Berufungskommissionen darauf Wert legen, dass abgeschlossene Studien auch tatsächlich vollständig publiziert bzw. Daten und Materialien umfassend offengelegt wurden. Nur so könnten Studien überprüft und repliziert werden.

Öffnung der Wissenschaft

Außerdem sollte „Open Science“ belohnt werden – also eine Praxis, in der etwa Forschungsdaten und Laborberichte frei zugänglich sind. Dazu gehört auch die Publikation der Ergebnisse via „Open Access“. Institutionen wiederum sollten eine große Bandbreite an Forschungstätigkeiten unterstützen, unter anderem auch derzeit wenig prestigeträchtige Replikationsstudien, also der Versuch, Studienergebnisse anderer durch eigene Forschung nachzuvollziehen und damit zu überprüfen.

Nicht zu kurz kommen dürften auch andere wissenschaftliche Tätigkeiten abseits der eigenen Publikationen. Dazu gehören etwa das gewissenhafte Peer-Reviewing, also die kritische Bewertung fremder Forschung, oder die Unterstützung der Karriere von anderen Wissenschaftlern (Mentoring). Bei Berufungen müssten diese Tätigkeiten ebenso berücksichtigt werden wie die klassische Publikationstätigkeit.

Fetisch Impact-Faktor

Für Österreich konstatierte Föger gegenüber der APA, dass auch hier „die Impact-Faktoren wie Publikationen oder Zitierungen mehr zählen als alles andere“. Zwar würden manche Universitäten schon darauf achten, dass Bewerber etwa für eine Professur auch gute Lehre anbieten oder internationale Projekte betreuen. „Aber wir sind da sicher in keiner Vorreiterposition.“

Auch die Betreuung von Nachwuchskräften werde bei der Bewertung der Forschungsarbeit in Österreich nach wie vor nicht sehr stark honoriert – „vor allem dann, wenn es nicht um die Zahl der betreuten Dissertationen geht, sondern um Mentoring, also wie etwa Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter gefördert werden, wie man permanente Positionen für sie schafft“. „Und dass Peer Review speziell bewertet wird, ist mir auch nicht bekannt – das ist in anderen Ländern aber leider auch so“, meinte Föger. Recht gut liege Österreich vor allem aufgrund der Initiativen des Wissenschaftsfonds FWF dagegen bei Open Science und Open Access.