Aufnahme der Sonne aus 77 Millionen Kilometer Entfernung
Solar Orbiter/EUI Team (ESA & NASA); CSL, IAS, MPS, PMOD/WRC, ROB, UCL/MSSL
Solar Orbiter/EUI Team (ESA & NASA); CSL, IAS, MPS, PMOD/WRC, ROB, UCL/MSSL
„Solar Orbiter“

Der Sonne so nah wie nie

Nach ihrem Start im Februar hat die Sonde „Solar Orbiter“ erste Bilder von der Sonne geschickt. Die Aufnahmen sind in Rekordnähe entstanden – darauf zu sehen: brodelnde Feuer, die einen Eindruck von den immensen Temperaturen auf unserem Heimatstern vermitteln.

„Obwohl dies nur die ersten Bilder sind, können wir bereits interessante neue Phänomene sehen“, sagte Daniel Müller, Projektwissenschaftler der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA). Einzigartig seien die Bilder auch, weil bisher keine Mission Aufnahmen von der Sonne aus einer derart geringen Entfernung gemacht habe. Nur 77 Millionen Kilometer, quasi der halbe Weg zwischen Erde und Sonne, war der Orbiter beim Fotoshooting entfernt.

Nach Angaben des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung gab es zwar andere Missionen zur Sonne. Doch die seien so nah an dem Stern blind gewesen. Jetzt sind zehn Instrumente an Bord des Raumschiffs, die die Sonne und ihre Umgebung abbilden können. Die Wissenschaftler erhoffen sich Erkenntnisse davon, wie Sonnenwinde produziert werden und wie das Magnetfeld der Sonne funktioniert. Eine Hoffnung sei auch, dass man künftig Vorhersagen über Sonnenaktivitäten machen könne, sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, Sami Solanki.

Rätselhaft: Aufheizung der Sonnenkorona

Diese Lagerfeuer, kleine Sonneneruptionen, seien für sich genommen unbedeutend, sagte Frederic Auchere vom Institut für Weltraumastrophysik in Frankreich laut Mitteilung. Auf die gesamte Sonne betrachtet könnten sie aber der Hauptbeitrag für die Aufheizung der Sonnenkorona, der äußeren, mehr als eine Million Grad heißen Schicht der Sonnenatmosphäre, sein. Die physikalischen Mechanismen seien auch nach jahrzehntelanger Forschung nicht vollständig bekannt. Sie zu identifizieren sei der „heilige Gral“ der Sonnenphysik.

Aufnahme der Sonnenkorona des „Solar Orbiter“
Solar Orbiter/Metis Team (ESA & NASA)
So sieht der „Solar Orbiter“ die Sonnenkorona

Nach Angaben von David Berghmans vom Königlichen Observatorium von Belgien werden die künftigen Aufnahmen noch viel schärfer. „Die Instrumente sind noch nicht voll konfiguriert.“

„Erst der Anfang“

„Wir freuen uns alle sehr über diese ersten Aufnahmen, aber sie sind erst der Anfang“, sagte ESA-Forscher Müller. Der Orbiter werde in weniger als zwei Jahren noch näher an die Sonne fliegen und den Stern dann aus 42 Millionen Kilometern erkunden. Die ersten Daten zeigen nach Auffassung der Projektwissenschaftlerin der US-Raumfahrtbehörde NASA, Holly Gilbert, die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den beiden Raumfahrtbehörden ESA und NASA sowie den Nutzen der vielfältigen Datensätze bei der Entschlüsselung der Geheimnisse der Sonne.

Die Raumsonde „Solar Orbiter“ war im Februar vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida gestartet. Der Orbiter soll auf seiner rund 1,5 Milliarden Euro teuren Mission neue Erkenntnisse zu unserem Heimatstern ermöglichen. Mit den Instrumenten soll ein Blick auch auf bisher weniger bekannte Regionen der Sonne wie die Pole geworfen werden. Um bei seinem Flug um die Sonne vor den hohen Temperaturen geschützt zu sein, verfügt die Sonde über einen Hitzeschild aus Titan. Auf der Oberfläche der Sonne herrschen Temperaturen von rund 5.500 Grad, im Inneren sind es 15 bis 16 Millionen Grad.

Geringster Abstand: 42 Mio. Kilometer

Mit jedem Umlauf kommt die Sonde dem Zentralgestirn näher und soll Anfang 2022 in einem Abstand von 48 Millionen Kilometern mit dem eigentlichen wissenschaftlichen Programm beginnen. Sie soll sich der Sonne noch bis auf 42 Millionen Kilometer nähern.

Österreich beteiligte sich an drei der zehn Instrumente an Bord sowie an der Sonde selbst. So leitete die Universität Graz die wissenschaftliche Softwareentwicklung des Röntgenteleskop STIX an Bord des „Solar Orbiter“, das Einblicke in die Beschleunigung hochenergetischer Teilchen in Sonneneruptionen liefern möchte. In der Testphase hat das Gerät bereits mehr als 60 sehr kleine Sonneneruptionen beobachtet.