Absperrungen sperren die Straßen im Hafen wegen Hochwasser.
APA/dpa/Bernd WŸstneck
APA/dpa/Bernd WŸstneck
500 Jahre Analyse

Hochwasser in Europa werden intensiver

Hochwasser hat es in Europa immer wieder gegeben. Doch eine neue 500-Jahres-Analyse zeigt, dass die Flüsse zuletzt besonders stark über die Ufer traten – und das ist eine Folge der Klimaerwärmung.

Die Überschwemmungen verhalten sich wegen der gestiegenen Temperatur heute grundsätzlich anders als früher. Selbst im Vergleich zu hochwasserreichen Perioden in der Vergangenheit sind die Hochwässer nun vielerorts größer, die Hochwassersaisonen haben sich verschoben und der Zusammenhang der Hochwässer mit der Lufttemperatur hat sich umgekehrt: Früher kam es in Kältephasen zu Überschwemmungen – heute verursacht die Klimaerwärmung die Hochwässer, wie ein großes Team an Forscherinnen und Forschern um Günter Blöschl von der Technischen Universität (TU) Wien im Fachjournal „Nature“ berichtet.

Zehntausende historische Dokumente untersucht

Die jährlichen durch Flusshochwasser verursachten Schäden werden weltweit auf über 100 Mrd. Dollar geschätzt – Tendenz steigend. Die Frage war bisher, wie ungewöhnlich die Flutkatastrophen der vergangenen Jahre im historischen Vergleich waren.

Die Forscherinnen und Forscher haben daher für ihre Studie Zehntausende historische Dokumente mit zeitgenössischen Hochwasserberichten aus Europa aus dem Zeitraum von 1500 bis 2016 ausgewertet – die bisher umfangreichste Analyse dieser Art. Daraus erstellten sie eine Datenbank mit über 9.500 Hochwasserereignissen für mehr als 100 Flüsse in ganz Europa.

Die neun Hochwasserperioden seit 1500

In den Aufzeichnungen identifizierten die Forscherinnen und Forscher neun hochwasserreiche Perioden in verschiedenen Regionen Europas: 1500-1520 (West- und Mitteleuropa), 1560-1580 (West-und Mitteleuropa), 1590-1640 (Iberische Halbinsel, Südfrankreich), 1630-1660 (West- und Mitteleuropa, Norditalien), 1750-1800 (im Großteil Europas), 1840-1880 (West- und Südeuropa), 1860-1900 (Ost-und Mitteleuropa), 1910-1940 (Skandinavien) und 1990-2016 (West- und Mitteleuropa). Dabei waren die Hochwässer speziell in West-, Mittel- und Südeuropa im Zeitraum 1750-1800 am stärksten (siehe Video oben).

Bei Hochwasser war es früher kühler

Den Daten zufolge unterscheiden sich die Hochwässer derzeit markant von jenen der vergangenen Jahrhunderte. So belegen die Vergleiche mit Rekonstruktionen der damaligen Lufttemperatur, dass die historischen Hochwasserperioden wesentlich kühler waren als die dazwischen liegenden Jahre. Dagegen war der jüngste hochwasserreiche Zeitraum 1990 bis 2016 um etwa 1,4 Grad Celsius wärmer als die Periode davor.

„Unsere Studie zeigt somit erstmals, dass sich die zugrunde liegenden Mechanismen gewandelt haben: Während in den letzten Jahrhunderten die Hochwässer vermehrt unter kühlen Bedingungen aufgetreten sind, ist jetzt das Gegenteil der Fall. Die hydrologischen Bedingungen sind jetzt ganz anders als in der Vergangenheit“, erklärte Blöschl in einer Aussendung der TU.

Überschwemmung in Wien 1830
TU Wien
Überschwemmung in Wien 1830

Klimaerwärmung veränderte Niederschläge

Auch der Zeitpunkt der Hochwässer innerhalb des Jahres hat sich verschoben: Traten früher 41 Prozent der mitteleuropäischen Überschwemmungen im Sommer auf, sind es aktuell 55 Prozent. Das hängt den Forschern zufolge mit der Veränderung von Niederschlag, Verdunstung und Schneeschmelze zusammen. Sie werten das auch als wichtiges Indiz, mit dem man die Rolle der Klimaerwärmung von anderen Faktoren wie der Abholzung der Wälder und der Verbauung der Flüsse unterscheiden kann.

Die Autoren und Autorinnen weisen darauf hin, dass die aktuelle hochwasserreiche Periode möglicherweise andauert. Sie plädieren dafür, Instrumente zur Bewertung des zukünftigen Hochwasserrisikos in allen Ländern Europas miteinzubeziehen. „Wir müssen alles tun, um den Klimawandel zu bremsen. Aber ganz unabhängig davon werden wir seine Auswirkungen in den nächsten Jahrzehnten weiter spüren“, so Blöschl.

Österreich sieht er beim Hochwassermanagement „schon sehr gut aufgestellt“. Es gebe bereits viele Detailstudien zum zukünftigen Hochwasserrisiko und man kenne den Einfluss des Klimawandels ziemlich genau. An der Studie waren aus Österreich auch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und das Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung Forschung (VRVis) beteiligt.