Skellett eines Wikingers aus Öland, Schweden
The Swedish National Heritage Board
The Swedish National Heritage Board
DNA-Spuren

Schon die Wikinger hatten Pocken

Die Pocken sind deutlich älter als gedacht: Laut genetischen Untersuchungen litten bereits die Wikinger vor 1.400 Jahren unter der gefährlichen Krankheit – und verschleppten den Erreger vermutlich in ganz Europa.

300 Millionen Menschen starben noch im 20. Jahrhundert an den Pocken. Die vom Variola-Virus ausgelöste Krankheit gilt seit den 1980er Jahren als ausgerottet – wann und wie die Epidemie zum ersten Mal aufgetreten ist, bleibt indes unklar. Historiker vermuten, dass etwa die sechste ägyptische Plage, von der im 2. Buch Mose die Rede ist („Da brachen auf böse Blattern an den Menschen“), eine Pockeninfektion war. Allein, handfeste virologische Beweise gab es dafür nicht.

Virus-DNA in Zähnen nachgewiesen

Einen solchen haben jetzt Wissenschaftler aus Cambridge und Kopenhagen für die Zeit um 600 nach Christus im Fachblatt „Science“ vorgestellt: Laut Untersuchungen archäologischer Fundstätten in Dänemark, Norwegen, Russland und Großbritannien litten bereits die Wikinger an den Pocken. DNA des Erregers wiesen die Forscher in menschlichen Zähnen nach, allerdings handelt es sich um einen bisher unbekannten Virusstamm.

„Es gibt einige Unterschiede zu den modernen Pockenviren. Diese frühe Version war näher mit Tierpocken verwandt, etwa mit Erregern aus Nagetieren und Kamelen“, sagt Lasse Vinner, einer der Studienautoren. „Wie die Krankheit bei den Wikingern aufgetreten ist, wissen wir nicht.“

Menschliche Skelette in einem Massengrab
Thames Valley Archaeological Services
Untersucht wurde unter anderem dieses Grab auf dem Gelände des St. John’s College, Oxford

Studienleiter Eske Willerslev zieht jedenfalls Parallelen zur gegenwärtigen Covid-19-Pandemie, er geht davon aus, dass die Wikinger den Erreger in andere Länder verschleppt haben, urzeitliches „Superspreading“ sozusagen: „Wir wussten bereits, dass die Wikinger in ganz Europa und jenseits unseres Kontinents unterwegs waren. Und jetzt wissen wir auch, dass sie die Pocken hatten. Es ist wahrscheinlich, dass sie die Krankheit auf ihren Reisen verbreitet haben – so wie das heutzutage mit dem Coronavirus der Fall ist. Nur waren sie eben mit dem Schiff unterwegs, nicht mit dem Flugzeug.“

Rückkehr der Pocken möglich

Es gibt noch eine andere Parallele. Auch der Pockenerreger war ursprünglich an tierische Wirte angepasst und sprang dann – wann, ist ungeklärt – auf den Menschen über. Wissen über solche historischen „Zoonosen“ sei auch für die Gegenwart und vor allem für die moderne Humanmedizin wichtig, betont der Virologe Terry Jones von der Berliner Charité. „Wenn ein Tier ausstirbt, kommt es nicht mehr zurück. Aber Mutationen können jederzeit aufs Neue auftreten. Es wird immer wieder neue Zoonosen geben.“

Das gilt nicht zuletzt für die Verwandten des Variola-Virus. Gegenwärtig ist die Pockenkrankheit zwar ausgerottet. Doch nach Ansicht der Forscher ist es durchaus denkbar, dass in Zukunft ein neuer Virusstamm durch Mutationen Artgrenzen überschreitet – und wieder Menschen infiziert.