Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
Adobe Stock/Daniel CHETRONI

So steht das Rennen um einen Impfstoff

Russland hat nach Angaben von Präsident Wladimir Putin den ersten Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entwickelt, die Pharmaindustrie forscht weltweit fieberhaft weiter. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden bereits sechs Impfstoffe in großangelegten Studien mit Tausenden Probanden getestet – ein Überblick.

Diese sogenannte Phase III ist das letzte Stadium der klinischen Entwicklung eines jeden Medikaments, bevor bei den Behörden ein Antrag auf Zulassung gestellt werden kann. In klinischen Studien der Phase I wird die Sicherheit eines Arzneimittels erstmals an einer kleinen Gruppe gesunder Menschen getestet, die sich freiwillig zur Verfügung stellt. In Phase-II-Studien mit meist 100 bis 300 Teilnehmern und Teilnehmerinnen wird getestet, wie sicher ein Medikament ist und wie gut es wirkt.

Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs viele Jahre. Doch diesmal geht es im Zeitraffer: Die Aufsichtsbehörden in den USA und in Europa zeigten sich zuletzt optimistisch, dass schon zum Jahresende ein erster Impfstoff zugelassen werden könnte, vorausgesetzt, die Studienergebnisse seien positiv. In Russland wurde nun ein erster Impfstoff schon vor Abschluss der Studien genehmigt.

Es folgt eine Auswahl der Impfstoffkandidaten in der klinischen Entwicklung und in welchem Stadium sie sich befinden:

Gameleya-Institut: Das russische Gesundheitsministerium hat den Impfstoff, der im Ausland unter dem Namen „Sputnik V“ auf den Markt gebracht werden soll, am 11. August freigegeben, noch bevor die Ergebnisse der Phase-III-Studien vorliegen. Russlands Präsident Putin hofft, bald mit Massenimpfungen in Russland starten zu können, während die entscheidende klinische Studie über die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs läuft. Expertinnen und Experten äußerten Bedenken, dass die Regierung Prestige vor fundierte Wissenschaft und Sicherheit stellt. Der Impfstoff basiert auf modifizierten Erkältungsviren.

AstraZeneca: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Impfstoffkandidaten, der von dem britischen Pharmakonzern zusammen mit der Universität Oxford entwickelt wird, als einen der führenden Kandidaten im globalen Wettlauf gegen die Coronavirus-Pandemie. Er befindet sich in der klinischen Studie der Phase III und wird in Großbritannien, Brasilien und in Südafrika getestet. Eine weitere Studie soll bald in den USA starten. Erste Ergebnisse werden ab August erwartet. Der Wirkstoff mit dem Namen AZD1222 hat in einem Test mit mehr als 1.000 Freiwilligen positive Ergebnisse erzielt – die Probanden bildeten Antikörper und sogenannte T-Zellen, die die Immunabwehr unterstützen. Dabei traten keine ernsthaften Nebenwirkungen auf. Der Wirkstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material vom neuen Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren – eine Methode, die auch Wettbewerber anwenden. Der Impfstoff könnte den Forschern zufolge zum Jahresende bereitstehen.

BioNTech/Pfizer: Die beiden Unternehmen haben den Impfstoffkandidaten BNT162b2 entwickelt, der bei einer insgesamt 60 Personen umfassenden Studie der Phase I/II zur Bildung von Antikörpern und T-Zellen bei den Probanden führte. Die deutsche BioNTech und der US-Pharmakonzern starteten inzwischen eine breit angelegte, globale Studie zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs mit mehr als 30.000 gesunden Menschen im Alter von 18 bis 85 Jahren. Bei einem Erfolg soll im Oktober ein Zulassungsverfahren beantragt werden. Die Partner setzen dabei auf einen Impfstofftyp, der Ribonukleinsäure (RNA) verwendet. Dieser chemische Botenstoff weist Körperzellen an, Proteine zu produzieren, die die äußere Oberfläche des Coronavirus nachahmen. Der Körper erkennt diese virusähnlichen Proteine als Eindringlinge und kann dann eine Immunantwort gegen das eigentliche Virus auslösen.

Moderna: Der US-Biotechkonzern hatte als erstes Unternehmen Mitte März eine klinische Studie der Phase I mit einem potenziellen Impfstoff auf mRNA-Basis gestartet. Bei allen 45 Freiwilligen, die an der Untersuchung teilnahmen, habe der Impfstoff eine Immunantwort hervorgerufen, teilte Moderna Mitte Juli mit. Nun begann eine entscheidende Wirksamkeitsstudie der Phase III mit 30.000 Teilnehmern. Getestet wird in 30 US-Bundesstaaten, darunter die vom Virus stark betroffen Staaten Texas, Kalifornien und Florida. Die US-Regierung unterstützt das Projekt mit nahezu einer Milliarde Dollar.

Sinovac: Der chinesische Impfstoffentwickler befindet sich mit seinem potenziellen Wirkstoff gegen das Coronavirus ebenfalls in der klinischen Phase III. Tests mit Tausenden Freiwilligen laufen in Brasilien, einem der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder. Der Gouverneur von Sao Paulo, Joao Doria, erklärte, die Produktion des Impfstoffs könne Anfang nächsten Jahres beginnen, falls die Tests erfolgreich verliefen.

Sinopharm: Der staatliche chinesische Biotechkonzern hat Mitte Juli in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 15.000 Freiwilligen mit der Phase-III-Studie begonnen. Dabei setzt die Firma auf einen inaktivierten Impfstoff, also auf abgetötete Krankheitserreger. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem an, damit Antikörper und T-Zellen gebildet werden. Solche Impfstoffe kommen unter anderem gegen Influenza und Masern zum Einsatz.

Johnson & Johnson: Der US-Pharmakonzern testet seinen potenziellen Coronavirus-Impfstoff am Menschen, nachdem Studien mit Affen erfolgreich verlaufen waren. Rund 1.000 gesunde Erwachsene in den USA und in Belgien würden an der Untersuchung teilnehmen. Getestet werde eine einmalige und eine zweimalige Gabe des Impfstoffs. Im September sollen dann zwei Phase-III-Studien mit den jeweiligen Dosierungen beginnen. Die US-Regierung fördert die Entwicklung und Produktion des Mittels, das abgeschwächte Viren als Anreger für die Bildung von Antikörpern benutzt, mit einer Milliarde Dollar. Das Unternehmen ist auch mit der Europäischen Union in Gesprächen über eine Liefervereinbarung.

Curevac: Der deutsche Impfstoffentwickler hat im Juni mit der klinischen Erprobung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten begonnen. Ergebnisse daraus erwartet das Unternehmen im vierten Quartal 2020. Bis Mitte nächsten Jahres soll der Impfstoff marktreif sein, wenn alle Studien erfolgreich sind. Die Tübinger setzen bei ihren Forschungsarbeiten ebenfalls auf Impfstoffe auf Basis der Boten-RNA(mRNA).

Cansino Biologics: Der chinesische Entwickler will seinen Impfstoffkandidaten nach vielversprechenden Testdaten in einer frühen Studie weiterentwickeln. Kandidat Ad5-nCOV wurde an 508 Probanden getestet und zeigte eine Wirkung bei den meisten der Freiwilligen. Rund 77 Prozent hatten leichte Nebenwirkungen wie Fieber oder eine Reizung der Einstichstelle. Das Mittel solle bald an 5.000 Menschen in Saudi-Arabien getestet werden, erklärte das saudische Gesundheitsministerium. Der Impfstoff verwendet ein modifiziertes Erkältungsvirus, um genetisches Material vom neuen Coronavirus in den menschlichen Körper zu transportieren, eine Methode, die auch im AstraZeneca-Impfstoff verwendet wird. Allerdings zeigte die Studie auch, dass Personen, die zuvor schon einmal mit diesem spezifischen Virus infiziert worden waren, eine gedämpfte Reaktion aufwiesen.

Novavax: Das amerikanische Biotechunternehmen will seinen Impfstoffkandidaten ab Ende September in einer großen klinischen Studie der entscheidenden Phase III testen. In ersten Untersuchungen habe sich gezeigt, dass die Probanden Antikörper gegen das Coronavirus ausgebildet hätten.

Inovio: Der US-Pharmakonzern hat in einer frühen Studie vielversprechende Ergebnisse erzielt. Der Impfstoff rief bei 34 der 36 gesunden Freiwilligen im Alter von 18 bis 50 Jahren Immunantworten hervor. Der Beginn der Phase-III-Studie verzögert sich jedoch nun auf September; ursprünglich war der Sommer als Startpunkt genannt worden. Inovio wartet noch auf die Freigabe der Untersuchung durch die US-Aufsicht.