Schnellstraße in Singapur
AFP/ROSLAN RAHMAN
AFP/ROSLAN RAHMAN
Mobilität

Roboter für Singapurs Straßen

Singapur gilt als „Asiens grünste Stadt“, gleichzeitig wächst die Bevölkerung ständig. Um den Verkehr dennoch nachhaltiger und platzsparender zu machen, setzt man auf selbstfahrende Fahrzeuge. Ein neuer Stadtteil wird mit privatem Pkw nicht mehr erreichbar sein.

Aktuell gibt es in Singapur knapp sechs Millionen Menschen und eine Million Autos. Während die Bevölkerung noch langsam wächst, ist das Maximum an Autos bereits erreicht und streng reglementiert. Denn die Stadt ist voll, erklärt der Ingenieurswissenschaftler Niels de Boer von der Technischen Universität Nanyang, der seit 24 Jahren in Singapur lebt. „Bereits jetzt wird mehr Fläche für Straßen und Parkplätze verwendet als für Wohnungen und Häuser. Und wenn man die Menschen fragt, ob sie mehr Straßen oder mehr Grün wollen, sagen sie mehr Grün.“

Technologiegespräche Alpbach

Von 27. bis 29. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Fundamentals“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Vortragenden.

Zu wenig Busfahrer

Schon in den vergangenen Jahren wurde das U-Bahnnetz ausgebaut und immer mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger geschaffen. Das allein wird aber nicht reichen, um den Verkehr nachhaltiger und platzsparender zu machen. Deshalb will man in Zukunft auch auf selbstfahrende Fahrzeuge setzen, erklärt Niels de Boer, der seit Jahren an der neuen Technologie forscht. Sie sollen das öffentliche Verkehrsnetz noch vielfältiger und effizienter machen. „Aktuell gibt es in Singapur nur zwölf Meter lange Busse, weil es zu wenig Busfahrer und Busfahrerinnen gibt. Mit den selbstfahrenden Fahrzeugen kann man große Busse teilweise durch mehrere kleinere ersetzen, die flexiblere Routen fahren.“

Fahrerlose Straßenreinigung in Singapur
AFP/ROSLAN RAHMAN
Fahrerlose Straßenreinigung in Singapur

In der Zukunftsvision von Singapur sollen selbstfahrende Shuttles Menschen von der U-Bahn nach Hause oder von der Arbeit zur Station bringen. Große Busse sollen längere Distanzen zurücklegen, und Menschen auch in weniger dicht besiedelte Stadtteile bringen. Selbstfahrende Taxis wiederum können Menschen nutzen, um zum Arzt zu fahren oder andere individuelle Strecken zurückzulegen. Bis diese Vision Realität ist, wird es aber noch dauern. Zwar ist der technologische Fortschritt enorm, so Niels de Boer. „Wir dürfen aber nicht unterschätzen, wie viel es noch braucht, damit die Fahrzeuge bereit für die reale Welt sind.“ Diese ist nämlich komplex und chaotisch, und nicht immer halten sich alle streng an die Verkehrsregeln.

Falschparker sorgen für Chaos

So kann schon ein falsch geparktes Auto zum Problem werden oder ein Taxi, das einen Gast auf der Straße aussteigen lässt. „Um auszuweichen, kann es schon mal notwendig sein, eine Sperrlinie zu überfahren. Wir als Ingenieure sollen aber sicherstellen, dass autonome Fahrzeuge alle Regeln strikt einhalten. Dadurch wird es nicht gefährlich, es wird aber chaotisch.“

Zur Person

Niels de Boer lebt seit 24 Jahren in Singapur. Der Ingenieurswissenschaftler arbeitete jahrelang in der Automobilbranche. Seit einigen Jahren forscht er an der Technische Universität Nanyang zu selbstfahrenden Fahrzeugen. De Boer wird am 28. August im Arbeitskreis „Future Mobility: Ecological, Economic & Social Solutions“ sprechen.

Um das zu umgehen, sollen autonome Fahrzeuge vorerst in neu gebauten Stadtteilen eingesetzt werden. Ein solcher Stadtteil ist Tengah im Westen Singapurs. „Aktuell ist es eine riesige Baustelle. Am Ende soll der Stadtteil grüner werden als jetzt.“ Das Viertel erreicht man künftig nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln und autonomen Fahrzeugen. Im kleinen Zentrum soll es ausschließlich Robotershuttles geben. Es ist der erste Ort, an dem zahlende Kunden regelmäßig ohne Busfahrer oder Busfahrerin befördert werden könnten. „Seit 2014, 2015 testen wir unsere autonomen Fahrzeuge in den Straßen Singapurs und lernen mit jedem Versuch dazu. Man muss verstehen, dass nicht ein einziger Testlauf ausreicht, um solche Fahrzeuge großflächig einsetzen zu können.“

Auch in NYC und Wien?

Ob sich das Modell von Singapur auch auf Städte wie New York oder Wien übertragen lässt? Hier ist der Mobilitätsexperte skeptisch. „Meine persönliche Meinung ist, es wird nicht überall möglich sein.“ Dabei könnte Manhattan mit seiner systematischen, schachbrettähnlichen Straßenstruktur sogar noch besser geeignet sein, als beispielsweise die Wiener Innenstadt. „In älteren Stadtteilen wird es sicher schwieriger sein. In neueren, besser strukturierten Gebieten ist es leichter möglich. Es wird aber auch in Städten wie New York City nicht über Nacht gehen.“