Hannes Androsch
APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH

Androsch fürchtet Sparstift bei Forschung

Spätestens durch die Coronavirus-Krise sollte auch breiten Bevölkerungsteilen klar sein, wie wichtig Forschung und Entwicklung sind. Trotzdem fürchtet der scheidende Forschungsrats-Chef Hannes Androsch das Ansetzen des Sparstiftes beim heimischen Innovationssystem.

„Statt aufzuholen, fallen wir weiter zurück“, sagte er am Donnerstag vor Journalisten. Die zur Unterstützung der Wissenschaft eingerichtete Nationalstiftung sei „zum Stillstand gekommen“ und dem Österreichfonds stehe nächstes Jahr sein Ende bevor, sagte Androsch bei der Präsentation des Jahrbuchs der heurigen Alpbacher Technologiegespräche in Wien. Ersatz für die dann fehlenden Mittel – allein für das laufende Jahr von der Nationalstiftung mehr als 103 Mio. Euro – sei nicht in Sicht.

Sehe man sich zudem an, dass etwa die Dotation des kommenden EU-Forschungsrahmenprogramms „Horizon Europe“ mit rund 80 Milliarden Euro nicht annähernd die zumindest angestrebten 100 Mrd. erreichen wird, sei zu befürchten, dass man in den kommenden Jahren „schlechter dran ist, als zuvor“, so der Aufsichtsratspräsident des Austrian Institute of Technology (AIT) und Leiter des Steuerungskomitees der Technologiegespräche, die nächste Woche stattfinden.

Jahrbuch als Trailer von Alpbach

Dass Österreich derartige Kürzungen auf EU-Ebene als eines der vier „geizigen Länder“ als Erfolg verkaufe, sei grotesk. Europa drohe nämlich insgesamt im Kampf „um die technologische Vorherrschaft“ zwischen den USA und China weiter zwischen die Stühle zu fallen, so Androsch. Um dem entgegenzuwirken, bedürfe es „großer Anstrengungen“, für die die Mittel zwar durchaus vorhanden seien, das politische Interesse hierzulande aber fehle. Die heuer Coronavirus-bedingt großteils online stattfindenden Technologiegespräche in Alpbach brauche es daher, um dem Innovationssystem eine Stimme zu geben. Als „Trailer“ und eine Art Visitenkarte zu der von 27. bis 29. August laufenden Branchenzusammenkunft soll das Jahrbuch mit dem Titel „Technologie im Gespräch: Komplexität“ dienen.

Jahrbuch

„Technologie im Gespräch: Komplexität“, Hannes Androsch, Wolfgang Knoll, Anton Plimon (Hg.), Holzhausen Verlag

Links

Die Publikation gibt einen Überblick darüber, wie die Wissenschaft den um sich greifenden Verflechtungen in der zunehmend digitalisierten Welt versucht, Herr zu werden. Das Bild des berühmten Flügelschlags eines Schmetterlings an einem Ort, der mitunter woanders einen Sturm mitauslösen kann, hat es zwar vielfach in die Köpfe einer breiteren Öffentlichkeit geschafft, die Mechanismen dahinter bleiben dem menschlichen Verstand intuitiv jedoch meist verschlossen. Sich nicht linear aufschaukelnde Entwicklungen, Kipppunkte, die ein System rasch in andere Richtungen driften lassen, oder gleichzeitig ablaufende Prozesse, die zu völlig neuen Phänomenen führen, entziehen sich mitunter nachhaltig dem Hausverstand.

“Komplexität ist schrecklich“

„Komplexität ist eigentlich etwas Schreckliches“, sagte der Leiter des Compexity Science Hub (CSH) Vienna, Stefan Thurner, weil sie schlichtweg schwer in den Griff zu bekommen ist. Trotzdem hat für Thurner sein fachübergreifendes Forschungsgebiet das Zeug dazu, zu einem neuen wissenschaftlichen Paradigma bzw. einer „tragfähigen Sichtweise auf die Welt zu werden“.

Im Jahrbuch gibt Thurner im Interview mit dem Wissenschaftsjournalisten und Buchautor Martin Kugler eine Einführung in die vielschichtige Thematik. Darin erklärt er auch, warum er mit dem sinngemäßen Ausspruch „Big Data ohne große Theorie ist großer Unsinn“ d’accord geht, weil das reine Suchen der multiplen, stecknadelgroßen Verbindungen im Datenheuhaufen nicht wirklich zur Erkenntnis führen kann.

Verschiedene Verwobenheiten

Darüber hinaus legt die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny ihre Sicht auf die immer verwobenere Welt, auch im Angesicht der Coronavirus-Krise dar. Der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, Gerald Bast, wirft sich wiederum für mehr Trans- und Interdisziplinarität, eine echte Verbindung zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Praxis und ein Umdenken an den Hochschulen in die Bresche. Dazu kommen vielfältige Anwendungsbeispiele zum wissenschaftlichen Umgang mit Komplexität, die von gesellschaftlichen Phänomenen, über die durchgängig stark präsente Corona-Pandemie bis zur Technologieentwicklung reichen.

Für den wissenschaftlichen Geschäftsführer des federführend mit der Organisation der Technologiegespräche betrauten AIT und Ko-Herausgeber des Buches, Wolfgang Knoll, gibt es zwischen „Komplexität“ und dem Generalthema der Gespräche „Fundamentals“ große Überschneidungen. Das sei auch im Programm absehbar, dass sich heuer aufgrund der reduzierten Teilnahmegebühr und der verfügbaren Livestreams so einfach wie noch nie mitverfolgen lasse.