Zwei Sessel von hinten, auf einem sitzt eine Frau
AFP/Kenzo Tribouillard
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Bewegungsmuffel

Immer mehr „Dauersitzer“ in Europa

Immer mehr Menschen in Europa verbringen zu viel Zeit im Sitzen. Vor allem unter Jüngeren gibt es viele Bewegungsmuffel. Das zeigen Umfragen mit mehr als 96.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in ganz Europa.

Für die soeben in „BMC Public Health“ veröffentlichte Studie haben Forscherinnen und Forscher der spanischen Universidad Rey Juan Carlos (URJC) in Madrid die Ergebnisse von vier europäischen Umfragen in allen Ländern der Europäischen Union (EU) analysiert. Demnach nimmt die körperliche Passivität überall zu. Zuletzt hatten 54,3 Prozent der Befragten eingeräumt, täglich länger als viereinhalb Stunden zu sitzen. Die Forscher betrachten viereinhalb Stunden als Schwellenwert, ab dem bestimmte Gesundheitsrisiken steigen.

Bemerkenswert ist auch die Erkenntnis, dass in Europa verhältnismäßig weniger Senioren als jüngere Menschen zu viel sitzen: In der Gruppe der Menschen ab 65 Jahren betrug der Anteil 55,6 Prozent, bei den 18- bis 24-Jährigen dagegen 58,3 Prozent. Die Gruppe der 35- bis 44-Jährigen verzeichnete den stärksten negativen Trend: Hier kletterte der Anteil um 15,4 Prozent von 43,7 auf 50,4 Prozent.

Technologien verantwortlich

Die Autoren machen dafür neue Technologien verantwortlich. „Wir stellen die These auf, dass die zunehmende körperliche Inaktivität in erster Linie darauf zurückgeführt werden kann, dass die Menschen bei der Arbeit und auch in der Freizeit immer mehr mit Technologien wie Smartphones und Streamingdiensten interagieren“, sagt Hauptautor Xián Mayo.

Fahrgäste in U-Bahn sitzend
APA/DPA/CHRISTOPHE GATEAU
Die Europäer sitzen zu viel

Das viele Sitzen sei ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung vieler chronischer Krankheiten wie Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Krebs, schreiben die Forscher und sprechen von einer großen Gesundheitsbedrohung für die moderne Gesellschaft.

Doch warum ist Vielsitzen gefährlich? Da ist einerseits der niedrige Kalorienverbrauch. „Der Stoffwechsel und das Herz-Kreislaufsystem laufen auf Sparflamme“, erklärt der deutsche Sportmediziner Klaus Völker von der Universität Münster. Dadurch steige das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes. Zudem belaste langes Sitzen unter anderem auch Beinvenen, Muskeln und die Haltung.

Sport reicht nicht

Völker betont, dass die negativen Auswirkungen des zu langen Sitzens nicht durch Sport am Abend völlig kompensiert würden. Er empfiehlt deshalb, die Sitzposition häufig zu ändern und immer mal wieder kurz aufzustehen. Studien hätten gezeigt, dass schon kurzes Aufstehen positive Effekte habe: "Kleinvieh macht auch Mist.“ Das Homeoffice habe die Lage vermutlich zusätzlich verschlimmert, befürchtet daher Völker.

Es sei es von größter Bedeutung, dass sich die Politik der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Belastung bewusst werde, die der Bewegungsmangel in ganz Europa verursacht, schreiben die Forscher. Sie raten dazu, konkrete Strategien dagegen zu entwickeln.