Eine Ärztin mit einer Spritze
APA/AFP/STR
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Medizin

Influenza-Impfstoff verursacht keinen Autismus

Skepsis gegenüber Impfungen ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet – das könnte bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie noch zum Problem werden. Eine neue Studie widerspricht nun einer verbreiteten Befürchtung: Werden Schwangere gegen ein bestimmtes Influenza-Virus geimpft, entwickeln ihre Kinder nicht öfter Autismus als andere.

Konkret ging es um das Virus H1N1, das 2009 unter dem Titel „Schweinegrippe“ sein Unwesen trieb. Weltweit wurden damals Millionen Menschen gegen H1N1 geimpft, unter anderem mit dem Vakzin Pandemrix. Der heute nicht mehr verwendete Impfstoff geriet in Verruf, weil er bei Kindern nachweislich Schlafstörungen hervorrufen kann. Eine vor drei Jahren erschienene Studie fand zudem heraus, dass Kinder von Frauen, die in den ersten drei Monaten ihrer Schwangerschaft mit Pandemrix geimpft wurden, ein leicht erhöhtes Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung haben – statistisch eindeutig war das freilich nicht.

Ein Prozent im Autismus-Spektrum

Wie die Forscherinnen und Forscher damals schrieben, seien „weitere Studien notwendig, um die Frage zu klären“. Ein Team um den Epidemiologen Jonas Ludvigsson vom Karolinska-Institut in Stockholm liefert nun Antworten. Für die soeben in der Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“ erschienenen Studie hat es Daten von rund 70.000 Kindern untersucht, die zwischen Oktober 2009 und September 2010 in Schweden auf die Welt kamen. Etwas mehr als die Hälfte der werdenden Mütter war gegen H1N1 geimpft worden.

Grafik zur Studie Autismus bei H1N1-Impfung
American College of Physicians

Rund sechs Jahre nach ihrer Geburt wurde der Gesundheitszustand der Kinder überprüft. Nachdem weitere Eigenschaften wie Gewicht, Alter oder Rauchverhalten der werdenden Mütter berücksichtigt wurden, zeigte in beiden Gruppen rund ein Prozent aller Kinder Störungen im Autismus-Spektrum. Es gab also keine Unterschiede. Auch Kinder, deren Mütter in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft geimpft worden waren – jener Periode, in der sich Organe wie das Gehirn entwickeln -, neigten nicht zu mehr Autismus.

Große Impfskepsis in wohlhabenden Ländern

„Unsere Ergebnisse sind wichtig, denn einige Menschen befürchten, dass Impfungen Autismus verursachen können, und die Anti-Impf-Bewegung scheint in den westlichen Ländern zu wachsen“, sagt Jonas Ludvigsson. Schon vor der aktuellen Coronavirus-Pandemie war diese groß: Laut einer 2019 veröffentlichten Umfrage der britischen Wohltätigkeitsorganisation Wellcome Trust glaubten in Westeuropa fälschlicherweise 22 Prozent, dass Impfungen gefährlich sind, in Frankreich waren es sogar 33 Prozent. In Österreich stimmten 21 Prozent dieser Aussage zu. Das größte Vertrauen gibt es in Bangladesch und Ruanda, wo fast die gesamte Bevölkerung überzeugt ist, dass Impfungen ungefährlich, wirksam und wichtig sind.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 1.9., 13:55 Uhr.

Das mangelnde Vertrauen gegenüber Impfungen in wohlhabenden Ländern bezeichnete der Wellcome Trust im Vorjahr als „Nachlässigkeitseffekt“. Hohes Vertrauen gebe es vor allem in Ländern mit mehr Infektionskrankheiten. In entwickelten Ländern hingegen sei die Gefahr, infiziert zu werden, meist geringer – selbst ohne Immunisierung. Heute, inmitten der Coronavirus-Pandemie, ist das anders.

„Impfstoffforschung war nie wichtiger“, sagt Ludvigsson. „Sobald ein Covid-19-Vakzin entwickelt ist, wird es vermutlich Millionen schwangeren Frauen angeboten werden. Unsere Forschungsgruppe hat zwar keine Wirkung von diesen Impfstoffen untersucht, aber unsere H1N1-Studie trägt generell zum Wissen von Impfungen, Schwangerschaft und Krankheiten bei Kindern bei.“