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APA/GEORG HOCHMUTH
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Soziologie

Forschung warnt vor Jugendarbeitslosigkeit

Für junge Menschen ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt derzeit schwierig: Ausbildungsplätze werden gestrichen und Stellenangebote zurückgezogen. Das habe nicht nur individuelle Folgen, warnt die Sozialforschung und fordert gegenzulenken.

Derzeit sind rund 75.000 15- bis 24-Jährige in Österreich auf Arbeits- bzw. Lehrstellensuche oder in Schulungen des AMS. Waren vor der Coronavirus-Pandemie und der folgenden Wirtschafskrise vor allem Schulabbrecher mit geringer Qualifikation von Jugendarbeitslosigkeit betroffen, sind derzeit auch vermehrt junge Menschen auf Arbeitssuche, die eine Ausbildung absolviert haben, sich das Studium durch einen Job finanzieren oder bereits eine Lehrstellenzusage hatten, sagt der Soziologe Johann Bacher von der Universität Linz. „Viele hatte im Februar noch eine Zusage für eine Lehrstelle und stehen jetzt ohne Perspektive da“, so der Sozialforscher.

Arbeitslosigkeit mit langfristigen Folgen

Bacher präsentierte seine Analysen am Dienstag im Rahmen eines Mediengesprächs von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz: Die Jugendarbeitslosigkeit sei gerade bei den 20- bis 24-Jährigen stark gestiegen, von knapp 23.000 Betroffenen im Juli 2019 auf fast 36.000 im Juli 2020. Nun müsse verhindert werden, dass daraus eine längere Arbeitslosigkeit werde, also von sechs Monaten oder mehr.

Denn schon am Beginn des Erwerbslebens arbeitslos zu sein, erhöhe das Risiko auch später von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, erklärt der Sozialforscher. „Als Folge davon sind das Wohlbefinden und die Gesundheit beeinträchtigt, und zwar längerfristig“, so Bacher. Aus Studien wisse man, dass sich die Betroffenen sozial und politisch zurückziehen und das zivilgesellschaftliche Engagement abnimmt.

Kosten für Gesellschaft sind hoch

Für den Staat entstehen durch Jugendarbeitslosigkeit hohe Kosten: Vor der Krise galten rund 44.000 Jugendliche als langfristig ausgegrenzt, das heißt, sie waren sechs Monate oder länger arbeitslos. Wegen entgangener Lohnsteuer und Umsatzsteuer, weil die Jugendlichen weniger konsumierten, lag der Einnahmenverlust bei 400 Millionen Euro. Das entspricht einem Einnahmenverlust von 9.000 Euro pro jungem Arbeitslosen im Jahr.

Nachdem die Arbeitslosigkeit bei den 15- bis 24-jährigen stark gestiegen ist, werde dieser Einnahmenverlust 2020 noch größer sein. Bachers Schätzung geht von 7.000 Jugendlichen aus, die von einer langfristigen Ausgrenzung betroffen sein werden. „Dann wären das ungefähr 63 Millionen Euro jährlich, die dem Staat an zusätzlichen Kosten entstehen durch diesen Einnahmenverlust“, so der Sozialforscher.

Umfassendes Maßnahmenpaket gefordert

Bacher plädiert deswegen für ein umfassendes Maßnahmenpaket, das sowohl der strukturellen Arbeitslosigkeit begegnet, also jenen jungen Menschen hilft, die niedrig qualifiziert sind, wie der konjunkturellen Arbeitslosigkeit, die derzeit auch gut ausgebildete Junge betrifft. Um der strukturellen Arbeitslosigkeit vorzubeugen, brauche es Investitionen im Schulsystem, ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr österreichweit bzw. Ganztagsschulen, um fehlende Betreuung zuhause auszugleichen, so Bacher.

Um der konjunkturellen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, wäre ein Ausbau des Stipendiensystems an den Hochschulen wünschenswert, ebenso mehr Beratungs- und Weiterbildungsangebote für alle Betroffenen. Derzeit seien viele Angebote auf unter 18-Jährige beschränkt. Und das Lehrstellenangebot müsse besser werden. Länder und Gemeinden sollten in überbetriebliche Lehrangebote investieren, meint der Sozialforscher. Die Stadt Wien hat das bereits angekündigt und möchte ein entsprechendes Ausbildungspaket mit 17 Millionen Euro finanzieren.