Nationalpark in Brasilien
Thiago Foresti
Thiago Foresti
Ökologie

Forscher: Mercosur-Vertrag widerspricht „Green Deal“

Das geplante EU-Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur stehe in vielen Punkten im Gegensatz zu den Zielen des „Green Deals“ der EU, schreiben Forschern und Forscherinnen in einem neuen Bericht. Es widerspreche auch einer Reihe von Nachhaltigkeitskriterien.

Erst kürzlich hat die deutsche Regierungschefin Angela Merkel (CDU) angesichts der Abholzung im Amazonas-Gebiet „erhebliche Zweifel“ an der Umsetzung des Mercosur-Abkommens geäußert. Ihre Zweifel seien berechtigt, heißt es am Mittwoch in einer Aussendung der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Setze doch die Entwaldung in Südamerika große Mengen Kohlendioxid frei und beschleunige das Artensterben.

Alle drei Minuten ein Fußballfeld gerodet

„Soviel ist klar: Wenn wir Wälder zerstören, leiden alle darunter“, erklärt Hauptautorin Laura Kehoe von der Universität Oxford. Kehoe ist Teil eines Teams, darunter der Ökologe Helmut Haberl von der Universität für Bodenkultur, das den Bericht soeben im Fachjournal „One Earth“ veröffentlicht hat.

Die Autoren und Autorinnen kritisieren, dass trotz aller Klimaschutz-Bestrebungen die EU weltweit führend beim Import von Agrarprodukten sei, die Entwaldung verursachen. So sei zwischen 1990 und 2008 für die Ausweitung der Anbauflächen, die mit Konsum in der EU in Verbindung stehen, eine Fläche in der Größe Portugals gerodet worden. Die EU importiere derzeit jedes Jahr über zehn Mio. Tonnen Soja und 200.000 Tonnen Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten. Dafür werde in der Anbauregion alle drei Minuten die Fläche eines Fußballfeldes gerodet.

„Wir wollen, dass die EU aufhört, Produkte zu importieren, deren Anbau im Ausland Chaos verursacht. Stattdessen sollte sie eine weltweit führende Rolle übernehmen, um nachhaltigen Handel zu ermöglichen“, so Kehoe. „Wenn Lebensmittel auf illegal abgeholzten Flächen angebaut werden, warum ist es dann nicht illegal, sie zu kaufen?“

Regenwald im brasilianischen Amazonas
Thiago Foresti
Regenwald im brasilianischen Amazonas

Unternehmen sollen für Lieferketten verantwortlich sein

In ihrem Artikel formulieren die Forscherinnen und Forscher Grundsätze nachhaltigerer Handelsabkommen: Neben der Rückverfolgbarkeit der Herkunft von landwirtschaftlichen Produkten müsste ihrer Ansicht nach ein partizipativer Prozess eingeleitet werden, der indigene Völker, lokale Gruppen, politische Entscheidungsträger und Wissenschaftler mit einbezieht.

Als weitere Mechanismen schlagen sie kollektive Rechtsbehelfe vor, damit unterrepräsentierte Gruppen rechtliche Schritte einleiten können, weiters „Due Diligence“, damit Unternehmen rechtlich für ihre gesamten Lieferketten verantwortlich sind, sowie die Aussetzung des Handels mit Waren, die im Zusammenhang mit Entwaldung oder Menschenrechtsverletzungen stehen.

Auch für Handelsverbote

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hielten es für wichtig, „Handelsverbote für bestimmte Waren und Dienstleistungen einzuführen – bis diese Waren grundlegenden Rechts- und Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, die im Einklang mit den internationalen Abkommen stehen“. Angesichts des Mangels an rechtlichen Mechanismen zur Durchsetzung internationaler Abkommen könnte dies eine wirkungsvolle politische Maßnahme sein.

Haberl betont, dass sich „das Zeitfenster zur Vermeidung der katastrophalen Folgen des Klimawandels schließt“. Die Schulstreiks und Klimaproteste in ganz Europa hätten gezeigt, dass viele Menschen Produktionspraktiken, die den Klimawandel verursachen, nicht länger hinnehmen.

Die Forscherinnen und Forscher weisen zudem darauf hin, dass es eigentlich keinen Bedarf für weitere Entwaldung in Brasilien gebe: Untersuchungen hätten gezeigt, dass die prognostizierte künftige landwirtschaftliche Nachfrage durch die Verbesserung landwirtschaftlicher Praktiken und die Wiederherstellung degradierter Flächen gedeckt werden könnte, ohne dass eine weitere Umwandlung natürlicher Lebensräume erforderlich wäre.