Kahle Bäume
Senf, Seidl, Boku
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Umwelt

Europas Wälder sind durchlöchert

Europas Wälder wachsen zwar, haben in den vergangenen 30 Jahren aber laut Satellitenbildern rund 17 Prozent ihres Kronendachs verloren. Ursache für die „Löcher“ im Wald sind Holznutzung, Windwurf und Waldbrände, an die Stelle alter Bäume ist oft Jungwald getreten.

Cornelius Senf von der Technischen Universität München und Rupert Seidl von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien haben für die Studie mehr als 30.000 Bilder der amerikanischen Landsat-Satelliten ausgewertet. Sie konnten damit im Untersuchungszeitraum von 1986 bis 2016 aus dem All Löcher in Europas Wäldern identifizieren, wobei Löcher bedeutet: mindestens 30 mal 30 Meter große Lücken des Kronendachs, die es im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr noch nicht gegeben hatte. Die Löcher variieren von Jahr zu Jahr, wie Senf gegenüber science.ORF.at erklärte. „Die meisten gab es 2012 mit über 1,5 Millionen.“ In den 30 Jahren gab es mehr als 36 Millionen, wie Senft und Seidl im Fachjournal „Nature Sustainability“ schreiben. In diesen Löchern finden sich mittlerweile statt großen alten Bäumen Freiflächen oder junge Bäume.

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Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 15.9., 13:55 Uhr.

Größtes Loch in Spanien

Im europäischen Schnitt fand sich jährlich eine solches Loch pro zwei Quadratkilometer, die mittlere Größe der Kronendachöffnungen betrug etwas über einem Hektar. Dabei zeigten sich aber große nationale Unterschiede. So hat etwa Schweden im Schnitt knapp zwei Hektar die größten Öffnungen im Kronendach. Die im Schnitt kleinsten Löcher (0,6 Hektar) gibt es in der Schweiz, in Österreich beträgt die durchschnittliche Größe 0,7 Hektar. Das größte dokumentierte Loch im Kronendach gab es nach einem Waldbrand in Spanien mit 17.000 Hektar.

Die höchste Anzahl an Baumkronlücken registrierten die Forscher in Portugal, was Senf auf die dort intensiv betriebene Plantagenwirtschaft zurückführt. Österreich liege bei der Zahl der „Löcher“ im Kronendach im Mittelfeld, am unteren Ende finden sich die Wälder in Südosteuropa.

Karte zu den gestörten Wäldern
Senf, Seidl, Boku

Europaweit haben die Störungen des Kronendachs in den vergangenen drei Jahrzehnten zugenommen – die Wälder sind also offener und häufiger durch Freiflächen durchbrochen. Auch die Öffnungen des Kronendachs wurden größer, was die Wissenschaftler vor allem auf Windwürfe und Waldbrände zurückführen.

Neue Bäume wachsen heran

Trotz häufiger und größerer offener Flächen überleben dort vermehrt Bäume, „die Intensität der Störung nimmt ab“, so Senf. Das könne als Indiz einer pfleglichen Waldwirtschaft in Europa gewertet werden. Auch wenn die Änderungen in den Wäldern stark sind, sehen die Forscher auch positive Entwicklungen: „Nur weil Bäume verschwinden, bedeutet das nicht, dass der Wald weg ist. In den allermeisten Fällen wachsen nach einem Verlust des Altbestands neue, junge Bäume heran“, so Senf.

Zudem würden die Öffnungen im Kronendach die Chance bieten, dass sich eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Baumgeneration etablieren kann, erklärte Seidl.

Die Autoren der Studie betonen, dass ihre Arbeit nur möglich war, weil der United States Geological Survey die Daten kostenlos zur Verfügung gestellt hat. 2007 habe ein Landsat-Bild noch rund 600 Euro gekostet – das aktuelle Projekt mit Kosten von mehr als 15 Millionen Euro wäre also unmöglich gewesen. „Der freie Zugang zu Daten ist für die Wissenschaft wichtig und schützenswert“, so Senf.